Schluss mit lustig?

Schwester Stephanie setzt auf Humor bei der Pflege von Schwerstkranken, auch wenn keine Zeit dafür vorgesehen ist

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„Die Begegnung zweier Menschen ist wie der Kontakt zwischen zwei chemischen Substanzen: Wenn es zu einer Reaktion kommt, dann verändern sich beide.“ Carl Gustav Jung. Foto: ©depositphotos.com/Mukhina1

„Die Begegnung zweier
Menschen ist wie der Kontakt zwischen zwei chemischen Substanzen: Wenn es zu einer Reaktion kommt, dann verändern sich beide.“ Carl Gustav Jung. Foto: ©depositphotos.com/Mukhina1

Stephanie S. (Name wurde von der Redaktion geändert) ist Schwester auf einer Station, auf der hauptsächlich Schwerstkranke versorgt werden, in einem Krankenhaus in der Region.

Schwester Stephanie hat, von Haus aus, ein sonniges Gemüt, das Herz auf dem rechten Fleck und sagt, was sie denkt – ein eher extrovertierter Typ also. Daher hat Humor genau wie Fiebermessen oder Körperpflege einen festen Platz in ihrer täglichen Pflege-Routine von Patienten – auch wenn kaum Zeit dafür bleibt.

„Es ist immer eine ganz persönliche Geschichte, was man priorisiert als Schwester. Mir ist Humor sehr wichtig, daher baue ich ihn fast überall ein, nicht zuletzt weil er ein Eisbrecher ist“, so die Krankenschwester.

Alles funktioniere ihrer Meinung nach mit Humor besser: ein Patienten-, ein Kollegen- oder auch ein Arztgespräch. Humor baut Brücken, über die man sich auf halbem Weg entgegen gehen kann.

Bei der Pflege von Schwerstkranken müsse man jedoch einen anderen Humor an den Tag legen als vergleichsweise auf der Kinderstation oder in der Geriatrie.

Humor ist wie Eislaufen

„Humor ist für mich wie Laufen auf sehr dünnem Eis. Wenn man zu forsch unterwegs ist, bricht man ein
und säuft ab. Wenn man jedoch behutsam augenzwinkernd dahingleitet, entwickelt sich ein Pas de deux
mit den Patienten“, versucht Stephanie S. das für sie Selbstverständliche in Worte zu fassen.

Und so macht sie einen Wettbewerb daraus, wer den besten Blutdruckwert hat oder mit seinem Rollator (Mobilisationshilfe) schneller am Schwesterzimmer ist. Der Gewinner bekommt dann als erstes sein Mittagessen.

Sie spielt Demenzkranken, die zu Aggressivität neigen, gern mal auf der Mundharmonika ein Lied, das sie aus ihrer Jugend kennen, und animiert sie zum Mitsingen. Nicht nur die Cholerik ist plötzlich verschwunden, auch nennen die Dementen plötzlich Schwester Stephanie beim Namen.

„Lieder haben sowieso einen ganz eigenen Stellenwert bei Demenz, da selbst im letzten Stadium der Erkrankung das Musikgedächtnis in der Regel noch funktioniert“, erzählt Stephanie S. im Gespräch.

Zeitfenster für das Wesentliche

Apropos Gespräch, weder für das noch für Humor ist Zeit auf Station. Seit fast zwei Jahren arbeiten sie schon in Mindestbesetzung, die auch nur ein Mindestmaß an Zeit für die Betreuung der Schwerstkranken
zulässt. Einen kleinen Plausch oder das Singen lustiger Lieder könne man sich eigentlich nicht leisten.

Um ihre Arbeit dennoch zu schaffen, holt Schwester Stephanie oft mehrere ihrer Schutzbefohlenen zu sich und „bespaßt“ sie, während sie Dokumentationspflichten nachgeht oder manchmal auch bei der Patientenaufnahme. „So lernen die Neuen gleich die kennen, die schon länger da sind…!“

Auch diese Situationen nimmt Schwester Stephanie noch mit Humor. Humor ist, wenn man trotzdem lacht?

Ja und Nein. Wie es ausschaut, sollen jetzt nochmal Stellen abgebaut werden, da die „Mindestbesetzung“ es jetzt ja so lange schon „so gut“ hingekriegt hat.

Wenn Lachen vergeht

Da kann selbst Stephanie S. das Lachen vergehen. Alle Schwestern hätten bereits jetzt Überstunden ohne Ende angehäuft, obwohl sie das offiziell nicht sollten. Humor hat wie viele andere Heilung bringende Faktoren eben keine Vergütungsnummer im Abrechnungssystem.

Schwester Stephanie ist das egal. Sie sieht den negativen Trend der Ökonomisierung, die im Krankenhaus Einzug gehalten hat und sie sieht die Wirkung des Humors bei ihren Patienten, deren Angehörigen, den Kollegen und Ärzten. Raten Sie mal für was sie sich entscheidet?

„Wenn ich noch nach Jahren Geschenke zu Weihnachten von Patienten bekomme oder Briefe, in denen steht, dass meine lustige Art ihnen sehr über die schlimmste Zeit hinweggeholfen hat, dann ist es das alles wert!“ Aber, wenn sie ehrlich ist, weiß sie nicht, wo Humor noch einen Platz haben soll, wenn noch mehr Personal abgebaut wird.

Auch für „Pflege-Clowns“ hört irgendwo der Spaß auf und sie finden alles einfach nur noch zum Heulen!

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