Persönlich? Höchstpersönlich!

Rechtsanwalt Markus Hollfelder über digitalen Nachlass


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©Leuteritz Schiener RA-PartmbB

Und plötzlich ist der Tag da: Ein Mensch stirbt. Die Angehörigen haben alle Hände voll zu tun. Viele Dinge sind zu regeln. Und immer wieder gibt es „Überraschungen“. Denn das Leben findet mittlerweile auch im Internet statt. Und oftmals hat der Verstorbene nichts in Bezug auf seine digitalen Hinterlassenschaften geregelt. „Für den digitalen Nachlass gibt es nach aktuellem Stand keine offizielle Definition“, erklärt Markus Hollfelder, Fachanwalt für Erb- und IT-Recht in der Bamberger Kanzlei Leuteritz Schiener PartmbB. „Einfach ausgedrückt, handelt es sich um alle Online-Rechtsverhältnisse des Verstorbenen.“ Das könnten zum Beispiel elektronische Bücher, Musik, Bilder, Homepages, Social Media-Accounts, aber auch Online-Depots und Online-Krypto-Wallets (diese ermöglichen das Verwalten, Empfangen und Senden von Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum) sein. Auch sie werden vererbt, mit allen Rechten und Pflichten (dies wird als sogenannte Universalsukzession respektive Gesamtrechtsnachfolge bezeichnet). „Einzige Ausnahme: höchstpersönliche Rechte wie beispielsweise Vereinsmitgliedschaften oder Arbeitsverhältnisse. Sie sind an die Person gebunden“, so der Anwalt. Kümmert man sich vor dem Ableben nicht, kann es kompliziert werden. „Einer der bekanntesten Fälle ist das sogenannte Facebook-Urteil1“, erklärt der Experte. Der Fall beschäftigte Öffentlichkeit und Justiz über Jahre. Im Dezember 2012 verunglückte ein minderjähriges Mädchen unter ungeklärten Umständen. Über ihren Facebook-Account wollten die Eltern herausfinden, wie es dazu kommen konnte. Facebook verweigerte den Zugang. Das Konto wurde in einen Gedenkzustand versetzt, der Zugriff unmöglich. Es folgten langwierige Prozesse, bis die Eltern im Jahr 2020 endlich vollen Zugang erhielten. „Die Eltern konnten sich daraufhin im Benutzerkonto so bewegen wie einst die Tochter. Die aktive Nutzung des Facebook-Accounts ist davon ausgeschlossen, da es sich hierbei um nicht vererbbare höchstpersönliche Rechte der Verstorbenen handelt.“ Der Fall mahnt zur Sorgfalt. Man muss sich fragen: Gibt es eine lebzeitige vertragliche Regelung, die der:die Verstorbene mit einem Unternehmen getroffen hat und wo sitzt dieses überhaupt? Wenn nicht, steht hinsichtlich des Todesfalls etwas in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs)? Sind die AGBs auch wirksam? Auf diese Art und Weise, so Hollfelder, müsse eigentlich alles, was digital vererbt werde, geprüft werden. Gebe es keine anderslautenden Hinweise, treten die Erb:innen grundsätzlich erst einmal in das Vertragsverhältnis ein und könnten dann etwa von Sonderkündigungsrechten Gebrauch machen. Was also zu Lebzeiten tun, um den digitalen Nachlass so unkompliziert wie möglich zu gestalten? „Nach diesem Facebook-Urteil sind viele Unternehmen wach geworden und bieten den Benutzer:innen Regelungsmöglichkeiten für den Todesfall an“, so Hollfelder. „Diese sollte man nutzen.“ Ebenfalls sinnvoll sei eine Auflistung der eigenen Accounts und Zugänge, die zum Beispiel an einem sicheren Platz (offline) hinterlegt wird. „Ich empfehle aber ein individuelles Verschlüsselungssystem für Passwörter, wenn man diese aufschreiben sollte. Dieses System kann einer Vertrauensperson mitgeteilt oder im Testament aufgeführt werden.“ Ein Nachteil: Diese Auflistung muss gepflegt werden. „Die ideale Lösung ist stets individuell aufgrund unterschiedlicher Bedürfnisse“, sagt der Anwalt. „Ich persönlich bevorzuge die Regelung über das Testament. In diesem kann man gegebenenfalls auch einen Testamentsvollstrecker benennen, der sich um den digitalen Nachlass kümmern soll.“ Das sei in jedem Falle sicherer als das Aufsetzen postmortaler Vollmachten, da diese von den Erb:innen widerrufen werden könnten. Hollfelder ist überzeugt, dass das Thema digitaler Nachlass in den kommenden Jahren aufgrund weiter zunehmender Digitalisierung noch deutlich mehr Aufmerksamkeit erhalten werde – und damit auch neue Lösungen entstünden beziehungsweise gefunden werden müssen. Nicole Oppelt 

Quelle: 1 www.dejure.org (Facebook-Urteil 27.08.2202 Az.: III ZR 30/20)

 

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