Multimodale nachhaltige Mobilität

Der Weg zur Klimaneutralität Würzburgs bis 2040 mit Car-Sharing, ÖPNV und Lastenrad

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Wenn ich als Kind etwas nicht erlaubt bekommen habe, war mein Argument oft: „Die anderen dürfen es doch auch“. Die als Frage formulierte Antwort meiner Mutter lautete: „Wenn die anderen aus dem Fenster springen, tust du das dann auch?“ Ähnlich wie meine Argumentation damals sieht die vieler Staaten hinsichtlich ihrer immer noch viel zu hohen CO2-Emissionen heute aus. Laut dem Portal Klimafakten (www.klimafakten.de) stoße jede Erdenbürgerin und jeder Erdenbürger pro Jahr rund fünf Tonnen Kohlendioxid aus – in Deutschland seien es mit rund 9,7 Tonnen rund doppelt so viel wie etwa in Kenia oder Nepal. Und am Rande bemerkt … Deutschlands Unterschrift unter das Pariser Klimaschutz-Abkommen und dessen einstimmige Ratifizierung im Bundestag1 macht Debatten um vermeintlich übertriebenen Klimaschutz hierzulande obsolet. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung warnt nicht erst seit gestern, dass der Kipppunkt, der zu einem auf lange Sicht so gut wie vollständigen Eisverlust auf der Erde führt, wahrscheinlich schon bei einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad Celsius (möglich ab 0,8 Grad Celsius, spätestens aber bei 3 Grad Celsius) erreicht sei.2 Momentan liegt das weltweite Mittel bereits bei 1,2 Grad Celsius mit steigender Tendenz. Positiv zu Buche schlägt, dass die Kohlendioxid-Emissionen laut Umweltbundesamt3 im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr um 10,1 Prozent gesunken sind. Mit noch immer fast 600 Millionen Tonnen Kohlendioxidausstoß per anno, braucht es weitere Hebel, um den CO2-Fussabdruck zu verringern. Der Verkehrssektor ist hier ein Player, der den Unterschied machen kann, da er immer noch zu den Hauptverursachern von Treibhausgas-Emissionen gehört. Wie die Würzburger Verkehrsbetriebe (WVV) sich hier engagieren, das wollten wir von Pressesprecherin Cornelia Wagner wissen … 

Lebenslinie (LL): Welchen multimodalen Ansatz fährt die WVV, um an der Schraube der CO2-Emissionen zu drehen?

Cornelia Wagner (CW): „Intelligente Vernetzung im Mobilitätssektor kann wesentlich dazu beitragen, wichtige wirtschaftspolitische und gesellschaftliche Herausforderungen wie die Energiewende oder steigende Verkehrsmengen zu meistern. Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet sie aber vor allem Komfort und Lebensqualität. An den wichtigsten Verkehrsknotenpunkten von Straßenbahn und Bussen besteht in Würzburg bereits jetzt ein direkter Zugriff auf weitere Mobilitätsangebote wie Leihfahrräder oder Carsharing-Autos. So kann jeder individuell entscheiden, wie und wann er in welcher Form mobil sein möchte oder welche Mobilitätsangebote er kombinieren will. Der Übergang zwischen dem öffentlichen und dem Individualverkehr wird damit fließend.“ 

LL: Wie werden diese Angebote angenommen?

CW: „Die Angebote werden sehr gut angenommen. Besonders das Carsharing erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Bereits über 4.500 Kundinnen und Kunden haben sich dafür schon in Würzburg entschieden. Für deren Fahrten wurden bereits 88,6 Tonnen an CO2-Emissionen kompensiert. Auch das Angebot zum Leihen von Lastenrädern kommt bei den Würzburgerinnen und Würzburgern gut an. Bisher wurden insgesamt 15.500 Kilometer mit Lastenrädern zurückgelegt (Stand: April 2024).“ 

LL: Ein Schritt in die richtige Richtung! Aber es braucht weitere Hebel, um den CO2-Fußabdruck wirksam zu verringern. Wie stellt sich die WVV mit Bus und Straßenbahn dahingehend auf? 

CW: „Unsere Straßenbahn sorgt dafür, dass das Verkehrsaufkommen, die Lärmbelästigung sowie der CO2-Ausstoß deutlich reduziert wird. Würzburgs größtes Elektromobil fährt zu 100 Prozent mit Ökostrom und dadurch CO2-neutral. Eine Straßenbahn ersetzt allein die Fahrt von 145 PKWs. Aber auch bei unseren Bussen setzen wir auf klimafreundliche Technik. Bereits 40 Prozent unseres Fuhrparks sind heute schon Elektro- oder Hybridfahrzeuge. Sukzessive wird der Fuhrpark ganz auf Fahrzeuge mit E-Antrieb umgestellt. Ebenfalls eine beeindruckende Marke: Ein Gelenkbus ersetzt die Fahrt von 70 PKWs.“ 

LL: Wie funktioniert das Car-Sharing-Projekt, das die WVV mit einem Partner schon seit längerem betreibt?

CW: „Nicht nur in Großstädten wie Berlin und München, auch in Würzburg und Umgebung erfreut sich das umweltfreundliche  Teilen von Fahrzeugen immer stärkerer Beliebtheit. Wir bietet dies zusammen mit unserem Partner aus Würzburg ,Scouter Carsharing‘ an. Die Zahl der angebotenen Fahrzeuge in Würzburg liegt derzeit bei 89 (davon sind 14 Elektro-Autos) an 43 Stationen und umfasst Autos aus allen Fahrzeugklassen – von Klein- und Kompaktwagen über den Kombi bis hin zum Elektroauto und Transporter. Neben dem Plus an Mobilität trägt die gemeinschaftliche Nutzung der PKWs natürlich auch zur Entlastung des innerstädtischen Verkehrsraumes bei und verringert Abgase und Lärm. Unsere Partner ,Scouter‘ ist mit dem Umweltzeichen Blauer Engel als besonders umweltfreundlich ausgezeichnet.“

LL: Wie funktioniert die Buchung eines Lastenrades?

CW: „Der Sharinganbieter ,Sigo‘ aus Darmstadt betreibt in Kooperation mit der Stadt Würzburg ein E-Lastenrad-Mietsystem. An 14 Standorten in Würzburg stehen insgesamt 45 Lastenräder zur Verfügung, etwa in der Innenstadt zum Beispiel in der Bahnhofstraße und in der Semmelstraße, innerhalb des Stadtteils Sanderau unter anderem in der Virchowstraße, in der Zellerau an der Umweltstation und in Richtung Hubland in der Rottendorfer Straße. Die Lastenräder sind rund um die Uhr, an sieben Tagen die Woche verfügbar und individuell anpassbar. Angetrieben mit 100 Prozent zertifiziertem Ökostrom leisten sie einen wichtigen Beitrag zur lokalen Verkehrswende. Die Ausleihe funktioniert dabei im Grunde wie beim Carsharing. Geeignet sind die Lastenräder für alle, die etwas von A nach B transportieren und dafür kein Auto bewegen möchten. Ganz gleich, ob es sich dabei um Einkäufe aus dem Supermarkt, kleinere Möbel oder auch Kinder handelt. Das Gewicht in den Transportboxen darf allerdings 80 Kilogramm nicht überschreiten. In den Sommermonaten nutzen viele Kundinnen und Kunden die E-Lastenräder auch einfach nur für Ausflüge mit Kind und Kegel.“

LL: Welche weiteren Maßnahmen sind bis 2040, dem Datum, an dem Würzburg klimaneutral sein will, geplant?

CW: „Zu den Maßnahmen im Handlungsfeld Mobilität zählt der Ausbau der Infrastruktur für Elektromobilität bis hin zum Einsatz von Elektrobussen, eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs unter anderem mit dem Bekenntnis zum Bau der Straßenbahnlinie ins Frauenland/Hubland oder aber auch ein abgestimmtes Parkraummanagement. Einen wichtigen Beitrag leistet die WVV mit dem Ausbau von E-Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum sowie in unseren Parkhäusern. Das Potenzial im Bereich Elektromobilität der ,Stadt der Zukunft‘ ist allerdings noch lange nicht ausgeschöpft. Die wichtigste Stellschraube der WVV in Sachen Klimaneutralität wird in den nächsten Jahren aber das Thema Wärmewende sein. Ein entscheidender Baustein ist hierbei der Wärmeleitplan. Sein Ziel: klare Perspektiven und Planungssicherheit für Würzburgerinnen und Würzburger in Sachen Fern- oder Nahwärmeanschluss beziehungsweise Heizungsmodernisierung. Mit dem Projekt ,Wärmeplanung für das gesamte Stadtgebiet‘ gehört Würzburg bereits jetzt schon zu den Vorreiter-Städten in Deutschland.“

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