(K)eine bittere Pille

Apotheker Michael Dickmeis sieht beim Thema „Tabletten“ noch Aufklärungsbedarf

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Per Hand geformte Pillen, die Apothekern den Beinamen „Pillendreher“ eingebracht haben, gibt es kaum mehr. Tabletten werden heute in der Regel von der Pharmaindustrie durch Verpressen eines konstanten Volumens eines Pulvers oder von Granulaten unter hohem Druck hergestellt. Während die maschinelle Herstellung heutzutage kaum Unwägbarkeiten zulässt, kommt es auch im 21. Jahrhundert bei Darreichungsformen und Einnahme immer noch zu Fehlern, die ungesunde Folgen haben können. Apotheker Michael Dickmeis konzentriert sich in seinen Ausführungen auf die hauptsächlichen Darreichungsformen: Tabletten, Kapseln und Dragees. Mit ihnen lasse sich der Wirkstoff gut dosieren, leicht transportieren und sei zudem lange haltbar, so der Inhaber der Sonnenapotheke in Würzburg. Dragees, also mit Zucker überzogene Tabletten, seien jedoch „am Aussterben“ und würden nach und nach durch Filmtabletten ersetzt.

Daneben gebe es unter anderem Hart- oder Weichkapseln, gelatinefreie Kapseln mit Kapselhälften aus modifizierter Cellulose, Kau- und Lutschtabletten, Lingual- und Sublingualtabletten, die sich bereits im Mund auflösen und selbst bei Erbrechen oder in Notfällen noch helfen sowie Retard- und magensaftresistente Tabletten. „Die Vielfalt ist groß, die Fehler, die bei der Einnahme begangen werden können, sind es aber auch“, betont Dickmeis.

Foto: Michael Dickmeis @Nicole Oppelt

„Jeder kann Tabletten schlucken. Blockaden gibt es lediglich im Kopf. Eine Tablette wird idealerweise bei aufrechtem Oberkörper – im Sitzen oder Stehen – mit mindestens einem halben Glas Wasser eingenommen“, erklärt der Apotheker. Für Kinder, Ältere und Demente, die Schwierigkeiten hätten, gebe es einige „Tricks“ wie die Einnahme „der bitteren Pillen“ mit Brei oder Fruchtmus, Schluckhilfen oder die „Umformulierung“ in Saft in Ausnahmefällen. Doch all diese Einnahmearten müssten zuvor mit einem Fachmann besprochen werden. Aus gutem Grund: „Tabletten sind, auch wenn man es ihnen nicht ansieht, oft Hightech-Produkte. Als solche vereinen sie mehrere Funktionen.“ Geschmacksverbesserung etwa, Schutz des Wirkstoffs, der sonst durch die Magensäure zerstört werde, bevor er seine Wirkung im Dünndarm entfalten könne. Und ein dritter Aspekt sei die Retardierung, die Zeitverzögerung, mit der ein Wirkstoff abgegeben werden soll.

„Haben Tabletten einen Überzug, dürfen sie nicht ohne explizite Erlaubnis geteilt, zerschnitten oder gemörsert werden. Denn es besteht die Gefahr, dass ein Wirkstoff zerstört oder falsch dosiert wird“, weiß Michael Dickmeis. Bei sogenannten Mups-Tabletten, bestehend aus einzelnen Pellets, die zusammen mit pulverförmigen Hilfsstoffen verpresst werden, sehe die Sache anders aus. Sie seien eine Alternative zu Tabletten mit sofortiger oder modifizierter Wirkstofffreisetzung. Will heißen, diese Tabletten, bestehend aus einzeln überzogenen Pellets, sind teil- und sogar auflösbar. Sie dürften aber nicht gemörsert werden. Dickmeis schärft den Blick auch für Kapseln. „Manche enthalten lediglich ein Pulver, das auch gut unter ein Fruchtmus gerührt werden kann.“ Bei anderen sei Vorsicht geboten! Apotheker arbeiten daher mit einer eigenen Datenbank zu diesem Thema. Und es geht weiter: Auch Einnahmehinweise sind oft erklärungsbedürftig. Etwa die Unterscheidung „vor dem Essen“ oder „nüchtern“ könne missverständlich sein, so der Pharmazeut. Ersteres bedeutet „die letzte halbe Stunde vor der Mahlzeit.“ Letzteres heißt „mehr als eine halbe Stunde vor der Mahlzeit respektive frühestens zwei Stunden danach“. Und auch das Lagern der Tabletten sei nicht ganz unproblematisch …

„Arzneimittel in Westeuropa sind für Raumtemperaturen zwischen 15 und 25 Grad zugelassen“, erklärt der Apotheker. Im Sommer gehören sie möglichst „in den kühlsten Raum“. Auf keinen Fall sollten sie in der Küche oder im Badezimmer deponiert werden. Diese Räume sind meist zu warm und zu feucht. „Optimal sind etwa ein Dielenschrank oder das Schlafzimmer.“ Sind Medikamente abgelaufen, gibt es kein Pardon. „Im Gegensatz zu Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln mit Mindesthaltbarkeitsdatum, haben Arzneimittel eine „Verwendbar bis“-Angabe. Die ist der Stichtag.“ Dann müssten diese entsorgt werden und das keinesfalls über den Wasserkreislauf, sondern „in einem eigenen, verschlossenen Beutel über den Restmüll“.

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