Insekten als Fleischersatz?

Eine Ernährungswissenschaftlerin und eine Neurobiologin über „Superfood“ mit Panzer und Flügeln als Trendlebensmittel

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Das Spektrum an Esswaren wird immer breiter. Inzwischen gibt es auch Lebensmittel, die auf Insekten basieren. Diese Produkte, warnen Verbraucherschützer, könnten jedoch Keime enthalten. „Laut Verbraucherzentrale ist die Wahrscheinlichkeit für Zoonosen relativ gering, aber nicht auszuschließen“, bestätigt Ernährungswissenschaftlerin Professorin Susanne Hammes-Kempf aus Gaukönigshofen bei Würzburg. Menschen, die Diät halten müssen, wird ebenfalls von Nahrungsmitteln auf Insektenbasis abgeraten, da einige Produkte stark zucker- oder salzhaltig sein sollen. „Die Frage, ob ein Lebensmittel ‚viel‘ oder ‚wenig“ Zucker oder Salz enthält, ist jedoch immer im Gesamtkontext zu beurteilen“, erklärt Hammes-Kempf. Erst die ganzheitliche Betrachtung aller Lebensmittel im Speiseplan eines Menschen sei sinnvoll: „Deshalb ist die Frage wichtig, in welcher Menge ein Nahrungsmittel in welchem Turnus gegessen wird.“ Bei seltenem oder gelegentlichem Verzehr insektenhaltiger Produkte in kleinen Mengen dürfte keine Ernährungsproblematik entstehen.

Als Ernährungswissenschaftlerin hat Hammes-Kempf die vielen Facetten der Nahrungsaufnahme im Blick. So auch das ethisch aufgeladene Thema „Fleisch“. „Die meisten Insekten gelten als vergleichsweise eiweißreich und können daher durchaus ein Fleischgericht ersetzen“, sagt sie. Werden insektenhaltige Lebensmittel individuell in eine sinnvolle Ernährung eingepasst, ist ­dagegen aus ihrer Sicht wenig einzuwenden. Ob sich das neue „Superfood“ durchsetzt, sei allerdings die Frage, denn es bestünden psychologische Barrieren gegen den Genuss von Insekten an sich, gegen ihre Konsistenz und ihr Aussehen. Ein Insekt mit Chitinpanzer, Flügeln und allem Drum und Dran zu verzehren, würde sie einiges an Überwindung kosten, gibt Neurobiologin Professorin Anna Stöckl zu. Insekten in Pulver- oder Mehlform hingegen findet sie spannend: „Ich hätte Lust, mal Pasta aus Insektenmehl zu probieren.“ In vielen Ländern der Erde seien Insekten schon ein wichtiger Teil des Speiseplans: „Sie liefern dort klimafreundlicheres Protein als etwa Rind- oder Schweinefleisch,“ so die Professorin am Lehrstuhl für Zoologie II der Uni Würzburg.

Foto: Professor Stöckl ©Robert Emmerich/Universität Würzburg

In einer Zeit, in der Fleischkonsum mehr und mehr zur Gewissensfrage wird, haben Insekten für Professor Stöckl das Potenzial, Teil einer nachhaltigeren Ernährung zu werden. „Dies vor allem dann, wenn ihre Zucht weniger Platz, Wasser und Energie beansprucht als die unserer klassischen tierischen Proteinlieferanten“, so die Forscherin. Damit wir in Europa stärker auf Insekten als Nahrungsmittel setzen können, wäre es allerdings wichtig, zu prüfen, ob wir Speise-Insekten vor Ort nachhaltig züchten können. Nur dann bieten Insekten in ihren Augen eine echte Chance, die mit dem Fleischkonsum verbundenen Probleme zu lösen. „Aus meiner eigenen Erfahrung mit der Zucht von Taubenschwänzchen sehe ich noch viel Forschungsbedarf“, so die Biologieprofessorin. Das betreffe zum einen die Auswahl von regional angepassten Insekten. Aber auch die Bereitstellung des Futters, die Unterbindung von Krankheitsausbrüchen und die relativ hohen Temperaturen, die viele Insekten für eine schnelle Vermehrung benötigen, werfen in ihren Augen noch viele unbeantwortete Fragen auf.

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