Individueller Werkzeugkasten

Dr. Jutta Albrecht, Fachärztin für Anästhesie und Naturheilverfahren, über Komplementärmedizin in der Schmerztherapie

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„Schmerz ist immer eine körperliche und psychische Belastung, bringt aber oft auch soziale Veränderungen mit sich – vor allem chronischer Schmerz“, sagt Dr. Jutta Albrecht, Chefärztin der seit 2004 bestehenden Klinik für Spezielle Schmerztherapie am Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt. Alle drei Aspekte würden die Lebensqualität der Betroffenen beeinflussen. In ihrer Klinik wird daher nicht nur Schulmedizin angewandt. Sie setzt auf komplementäre Verfahren und bringt Therapie-Möglichkeiten etwa die klassische Naturheilkunde, klinische Hypnose nach Milton H. Erickson, Imaginäre Körperreise nach Sabine Fruth, Kneipp-Anwendungen, Aromatherapie, Traditionelle Chinesische Medizin – unter anderem Blut-Egel-Behandlung und Akupunktur – oder auch Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (Mindfulness-Based Stress Reduction) und Autogenes Training mit ein. „Diese Verfahren stehen nicht in Konkurrenz zur Schulmedizin“, so die Fachärztin für Spezielle Schmerztherapie mit Zusatzqualifikationen in Naturheilverfahren, Medizinische Hypnose und Akupunktur. „Sie werden begleitend und ergänzend angewandt.“ Es gehe hier nicht primär darum, den Schmerz zu reduzieren, sondern die Begleitumstände, die Schmerzen mit sich bringen, zu lindern. Ziel sei es, die Lebensqualität der Betroffenen positiv zu beeinflussen und Medikamente „zu verringern“ – also für Entlastung des Körpers zu sorgen. In der Klinik erlebe sie, dass die Offenheit hierfür stetig wächst und Menschen bereit sind, selbst aktiv zu werden. „Das ist das Schöne an den Naturheilverfahren, sie haben etwas mit ­Selbstfürsorge zu tun, die das Gefühl der Hilflosigkeit minimiert“, betont Dr. Albrecht. „Durch die Selbstfürsorge werden Betroffene im Umgang mit ihrem Körper sicherer und entwickeln so auch eine bessere Körperwahrnehmung.“ Welche Verfahren zum Einsatz kommen wird dem individuellen Bedarf der Patientinnen und Patienten angepasst. Unter anderem hänge das von der Schwere der Erkrankung und dem jeweiligen Medikamentenplan ab, so die Ärztin mit 25-jähriger Erfahrung im Bereich Schmerztherapie. Schließlich könne es immer auch zu Neben- beziehungsweise Wechselwirkungen bei Medikamen­ten­einnahme kommen. Sie denkt hier etwa an Therapien mit pflanzlichen Arzneimitteln oder Phytotherapie. „Wir versuchen, den Menschen einen individuellen Werkzeugkasten an die Hand zu geben.“ Bewährt hätten sich ihrer Erfahrung nach zum Beispiel bei Arthrose eine Kombination aus Ernährungsumstellung, Wickeln und Auflagen sowie ergänzend Blutegel-Therapie und Akupunktur. Dr. Albrecht zufolge gebe es bereits Untersuchungen, die belegten, dass Blutegel eine effektivere Arbeit leisten können als so manche Hyaluron-Spritze ins Knie. Bei Nervenschmerzen setzt sie wiederum auf die schmerzlindernde Wirkung von Capsaicin, bei Schwellungen auf physikalische Maßnahmen, Phytotherapie, Wickel und Auflagen. Wer mit Schlafstörungen kämpft, dem rät sie zu Phyto- und Hydrotherapie sowie Entspannungsverfahren. Gerade Rituale wie das abendliche Teetrinken hätten einen nicht zu unterschätzenden Effekt, so die Medizinerin. Zu einer Kombination von Körper- und Ohr-Akupunktur rät sie bei muskulären Verspannungen oder Kopfschmerzen. „Nicht alles ist erfolgreich in der Therapie, vieles aber schon und eine gute Ergänzung zur schulmedizinischen Behandlung“, betont Dr. Albrecht. 

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