Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht!

Auch bei Terror und Amok im Einsatz: Rettungssanitäter und Notfallärzte

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Dr. Peter Sefrin. Foto: dpa

Dr. Peter Sefrin. Foto: dpa

Würzburg. München. Reutlingen. Ansbach. – Terror und Amok sind im Sommer 2016 in Bayern angekommen. Auch Rettungssanitäter, Notärzte und Kliniken müssen sich im Bereich der medizinischen und psychologischen Notfallversorgung auf diese neuen Dimensionen der Gewalt einstellen.

63 Helfer und fünf Notfallseelsorger vom Bayrischen Roten Kreuz, von den Maltesern und Johannitern sind am Abend des 18. Juli 2016 im Einsatz: In der s.Oliver Arena in Würzburg, die als Rettungszentrum dient, betreuen sie die Fahrgäste eines Regionalzuges, in dem vier Menschen mit einer Axt verletzt wurden.

Auf seiner Flucht attackierte der Jugendliche ein weiteres Opfer, bis er schließlich von der Polizei erschossen wird. Alle vier lebensbedrohlich verletzten Personen wurden im Uniklinikum Würzburg (UKW) behandelt.

Ein Patient befand sich noch vier Wochen nach dem Vorfall auf der Intensivststion im künstlichen Koma. Erst Ende August hieß es aus dem UKW: Akute Lebensgefahr bestehe nicht mehr. Eine längere Zeit der Rekonvaleszenz und Rehabilitation sei aber zu erwarten.

Auch Dr. Peter Sefrin ist in der Nacht des Anschlags vor Ort. Der Würzburger gilt als der „Vater der Notfallmedizin“ und hat die Entwicklung des Rettungswesens in Deutschland maßgeblich mitgeprägt. „Noch am Morgen hatte ich ein Gespräch mit Harald Rehmann, dem Leiter der Berufsfeuerwehr in Würzburg“, erklärt er im Interview mit der „Lebenlinie“.

„Wir waren uns einig, dass man in Würzburg wohl kaum mit einem Terroranschlag rechnen müsse, da solche Attacken in der Regel dort stattfinden, wo möglichst viele Menschen getroffen werden können.“ Doch so überraschend die erschütternden Ereignisse am Montagabend waren: „Die medizinische und die psychologische Versorgung wie auch das Krisenmanagement funktionierten einwandfrei“, resümiert Dr. Sefrin.

Rettungskräfte werden schon seit langem für sogenannte Massenanfälle und Großschadensereignisse gesondert geschult. „Bei einem Terroranschlag oder einem Amoklauf sind die Schädigungsvarianten andere: Hier werden Menschen gezielt mit Waffen oder durch Explosionen verletzt.“

Dies würde eine medizinische Versorgung erfordern, die nicht zum täglichen Repertoire der Sanitäter und Notärzte gehöre. Aber auch die Logistik und die Taktik, mit der man vor Ort vorgehe, seien hier eine andere: „Im Normalfall sichert die Polizei ab, während wir die Versorgung übernehmen“, führt der 75-Jährige aus.

„Bei einer Terrorattacke besteht jedoch das Risiko eines Zweitanschlages, mit dem speziell Helfer getroffen werden sollen.“ Deshalb könne man Verletzte erst versorgen, wenn das Gebiet von der Polizei für sicher erklärt wurde. Dies mache eine viel engere Zusammenarbeit als normal erforderlich, weil das Prozedere den Eigenschutz der Helfer mit ins Kalkül ziehen muss.

Als Vorsitzender der Steuerungsgruppe „Bildung“ des Bayerischen Roten Kreuzes war Dr. Sefrin erst Ende Juli wieder bei einem Seminar in München.

„Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es auch im Fall von Terror oder Amok nicht – aber wir sind darauf eingestellt.“

Zivile Selbstverteidigung
Ende August gab die Bundesregierung bekannt, dass ein neues Notfallkonzept für Katastrophen und große Terroranschläge in Planung sei, das unter anderem die Versorgung mit Trinkwasser, Nahrungsmitteln, Öl und Strom sowie die Lagerung von Impfstoffen oder Antibiotika regeln solle. Laut Innenministeriumstünde diese Aktualisierung schon seit längerem (2012) auf der Agenda und sei nicht auf die jüngsten
Terror- und Amokanschläge in Deutschland zurückzuführen. Im Kern des 69 Seiten langen Konzeptes steht Berichten der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ zufolge die zivile Selbstverteidigung:
So soll sich die Bevölkerung für einen Zeitraum von fünf Tagen mit Trinkwasservorräten (je zwei Liter Trinkwasser pro Person und Tag) ausstatten, um sich im Notfall zunächst selbst versorgen zu können
– bis entsprechende staatliche Maßnahmen anlaufen. Ein Angriff auf das Territorium Deutschlands, der eine konventionelle Landesverteidigung erfordert, sei laut Konzeptpapier zwar unwahrscheinlich, dennoch sei es nötig, „sich trotzdem auf eine solche, für die Zukunft nicht grundsätzlich auszuschließende existenzbedrohende Entwicklung angemessen vorzubereiten“. Jenifer Gabel
Quelle: Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung

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