
©Stefan Neumann
Ein Paradebeispiel für Schlagfertigkeit lieferte Winston Churchill. Bei einer Abendgesellschaft attackierte ihn eine verärgerte Dame mit den Worten: „Wenn ich Ihre Frau wäre, dann würde ich Ihnen Gift in den Kaffee schütten!“ Churchill konterte: „Und wenn ich Ihr Mann wäre, dann würde ich ihn trinken.“ Schlagfertigkeit ist die „Fähigkeit, schnell und mit treffenden, witzigen Wörtern auf einen verbalen Angriff zu reagieren“, sagt „Schlagfertigkeits-Queen“ Nicole Staudinger. Insbesondere Frauen fällt es oft schwer, schnell, das meint innerhalb von drei Sekunden, auf eine verbale Attacke zu reagieren. Sie schlucken und bleiben oft sprachlos und verärgert zurück. Als die Top-Speakerin und achtfache Bestsellerautorin mit 32 Jahren Brustkrebs bekam und sich beide Brüste abnehmen lassen musste, änderte sich nicht nur von jetzt auf gleich ihr ganzes Leben, sondern auch ihr Blickwinkel auf den Begriff Schlagfertigkeit. „Krisen kommen so unerwartet wie verbale Attacken“, sagt die gebürtige Kölnerin.
Haltung bewahren
Seit ihrer Brustkrebsdiagnose verstehe sie Schlagfertigkeit nicht bloß als schnelle, verbale Reaktion, sondern begreife sie als eine Einstellung auf die Frage: „Wem gestehe ich es zu, mir wertvolle Lebenszeit durch Ärger zu klauen? Denn: Sie müssen als glatzköpfige Frau ohne Brüste noch mal anders Haltung zeigen“, erinnert sich Staudinger. Parallel zu ihrer Chemo und mehreren Operationen entsteht 2015 ihr erstes Buch „Brüste umständehalber abzugeben – mein Leben zwischen Kindern, Karriere und Krebs“, das sogleich zum Bestseller avanciert. Auch in dieser Phase ihres Lebens verliert sie nie ihren Humor. „Mir hat Humor auch im OP geholfen. Es wird doch nichts schlimmer, wenn man mal gemeinsam lacht. Im Gegenteil, die Situation wird erträglicher. Und in Sachen Schlagfertigkeit ist Humor die Königsdisziplin. Nur wer über sich selbst lachen kann, ist unantastbar,“ so die Botschafterin von Pink Ribbon.
Seit ihrer bisweilen eigenen Sprachlosigkeit als Patientin gibt die Schlagfertigkeits-Trainerin kostenlose Seminare für Brustkrebspatientinnen. Was geben sie den Patientinnen hier mit auf den Weg, wollte die Lebenslinie-Redaktion wissen. „Nur meine persönlichen Erfahrungen und keinen einzigen Ratschlag. ,Schläge‘ bekommen die Frauen in der Zeit schon genug,“ so die genesene Krebspatientin. „Ich trainiere Frauen seit zehn Jahren. Schlagfertigkeit lässt sich trainieren. Techniken auswendig lernen gehört allerdings nicht dazu. Wir starten immer bei der inneren Haltung, dem Schutzschild und beim eigenen Humor.“ Und so lautet auch die erste Lektion in Staudingers zweitem Buch (2016) „Schlagfertigkeitsqueen. In jeder Situation wortgewandt und majestätisch reagieren“: „Wir müssen lernen, Dinge abprallen zu lassen – mit unserem Schutzschild!“ Schlagfertigkeit habe sehr viel mit Selbstbewusstsein, Körpersprache und Resilienz zu tun und da hapert es oft bei Frauen. „Aus dem richtigen Selbstbild ergibt sich ein Bewusstsein. Das formt die Körpersprache. Und wenn mir als Entgegnung gerade nichts Passendes einfällt, ich sprachlos zurückbleibe, dann ist mein Tag oftmals im Eimer. Das kratzt an der Resilienz, genauso wie die Erkenntnis, dass mein Ärger mein Gegenüber leider nicht ändert.“ Und warum Frauen vielfach sprachlos zurückbleiben, habe wiederum damit zu tun, dass weibliche Kommunikation auf sozialer Ebene stattfindet. Frauen versuchen zwischen den Zeilen zu lesen, Mitgemeintes mitzudenken und Understatement an den Tag zu legen. „Mädels ganz ehrlich: Wisst ihr wie viel Chancen Euch durch Tiefstapeln entgehen. Greift nach den Sternen. Nicht nach Gänseblümchen“, rät die Bestsellerautorin in „Schlagfertigkeits-Queen“. Männer seien da anders, „einfacher gestrickt“. Ihnen komme es nicht in den Sinn, Äußerungen zu analysieren. Sie hören die Fakten und reagieren darauf. Sie kommunizieren auf der sachlichen Ebene, authentisch, selbstbewusst und oft schlagfertig. „Ich vermute, dass Männer mit einem etwas besseren Selbstbild geboren und auch sozialisiert werden. Die Herren finden sich meist schon ganz okay so, wie sie sind, und das macht sie in der Kommunikation nicht so anfällig für Selbstzweifel“, weiß Nicole Staudinger.
Erste-Hilfe-Koffer
Und da stellt sich nun die Frage: Was ist der Unterschied zwischen Schlagfertigkeit und guter Kommunikation? „Die Schlagfertigkeit rettet die Situation, aber sie löst den Konflikt nicht. Dafür benötigen wir gute Kommunikation. Die ist sehr viel mehr Arbeit …“, gibt die Schlagfertigkeitstrainerin unumwunden zu. Bis die Kommunikation stimmt, sei es jedoch nicht verkehrt einen „Erste-Hilfe-Koffer“ an Schlagfertigkeits-Techniken dabei zu haben, um verbalen Attacken Paroli zu bieten. Dazu gehören etwa „Sprichwörter als Redewendungen, Ironie, Humor, der Gegenkontor, die ironische Entlarvung, die Umdeutung, die Übertreibung oder auch die Zweisilben-Entgegnung à la Loriot: ‚Ach, was?‘. Und die Erkenntnis, dass eine non-verbale Antwort, zum Beispiel eine Augenbraue hochzuziehen, vielfach reicht“, so Staudinger. Schlagfertigkeit habe nur bedingt etwas mit Rhetorik zu tun. „Schlagfertigkeit ist eine innere Haltung, die sich in einer äußeren bemerkbar macht.“ Nach dem, was Nicole Staudinger erlebt und durchgemacht hat, kristallisierte sich ein Lebensmotto heraus, das sie gerne teilt: „Sich selbst gut finden, wie man nun mal ist, raus auf die Bühne des Lebens treten und die Welt mit einem kräftigen ‚Highway to Hell‘ rocken!“
Quelle: Schlagfertigkeitsqueen. In jeder Situation wortgewandt und majestätisch reagieren, Verlag Knaur, München 2021, ISBN: 978-3-426-79146-2, Preis: 10,99 Euro, www.droemer-knaur.de
Das Interview mit der Bestsellerautorin, Trainerin und „Schlagfertigkeits-Queen” Nicole Staudinger führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury.