Hormongesteuert?!

Endokrinologe Prof. Dr. Martin Fassnacht erklärt, wie kleine „Antreiber“ im Körper große Wirkungen auslösen können

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Prof. Dr. Martin Fassnacht. Foto: Susanna Khoury

Wir spüren sie, wenn wir verliebt sind, Das Herz schlägt schneller, die Sinne sind geschärft und wir fühlen uns insgesamt wacher und energiegeladener. Sie treten aber auch zu Tage in der Pubertät, wenn die Eltern plötzlich schwierig werden oder in den Wechseljahren, wenn Frau ihr Gegenüber mal schnell zusammenfaltet, nur weil ihr gerade danach ist.

Die Rede ist von Hormonen. Die kleinen „Antreiber“ sind an vielen körperlichen wie psychischen Entgleisungen „schuld“. Sind wir also alle hormongesteuert? „Theoretisch ja,“ sagt Prof. Dr. Martin Fassnacht, Endokrinologe an der Universitätsklinik Würzburg (UKW), „aber ich spreche lieber von hormonreguliert, was impliziert, dass das Individuum letzten Endes noch die Kontrolle über sich hat!“

Fakt ist aber: Nahezu alles im Körper wird durch Hormone reguliert. Wenn diese „aus der Spur“ laufen, kann es zu Fehlsteuerungen kommen, die medizinisch behandelt werden sollten. Der Fall ist das beispielsweise bei einer Schilddrüsenüber- oder –unterfunktion, bei Diabetes oder eventuell auch bei Osteoporose – um nur die häufigsten Hormonstörungen anzusprechen.

„Ohne Insulin geht es im Körper nicht. Wenn es wie beim Diabetes mellitus Typ 1 ganz versiegt, muss direkt mit Insulin von außen nachgeholfen werden, da das ganze sonst tödlich endet“, so Diabetologe Martin Fassnacht. „Verschwindet das Insulin nur langsam oder wirkt nicht mehr so effektiv, wie dies beim Typ 2 Diabetes oft der Fall ist, genügt zunächst oft auch erst einmal eine Umstellung der Ernährung und mehr Bewegung.“

Ähnlich sei es bei Thyroxin, dem Schilddrüsenstimulierenden Hormon: „Dieses reguliert unter anderem den Stoffwechsel, die Herzfrequenz, die Darmtätigkeit, die Aufnahme und Verarbeitung von Nährstoffen, die Aufmerksamkeit oder den Schlaf-Wach-Rhythmus. Ein Zuviel oder Zuwenig kann hier eklatante Unruhe reinbringen, die aber in der Regel gut behandelt werden kann“, betont der Internist Prof. Dr. Fassnacht.

Sein „Lieblingshormon“ sei das Hormon der Nebennierenrinde: Cortisol, das in vielfältige Stoffwechselprozesse des Körpers eingebunden und zudem lebensnotwendig sei. Das Stresshormon reguliere den Energieumsatz und nehme damit Einfluss auf den Blutzucker, den Eiweißstoffwechsel, das Immunsystem und den Knochenstoffwechsel. Eine Überfunktion könne deshalb zu erhöhten Blutzuckerwerten, zu Hunger und Schlaflosigkeit, zur Muskelschwäche, zur Infektionsneigung und Knochenschwund (Osteoporose) führen.

Eine Unterfunktion hingegen führe in der Regel zu niedrigen Blutzuckerspiegeln, Natriummangel und Übelkeit, oft ausgedehnter Müdigkeit, zu einer beispiellosen Schlappheit, typischerweise zu Frösteln/Frieren, manchmal auch zu Muskel-, Gelenk- und Knochenschmerzen, so das Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), Fassnacht.

Hormone sind körpereigene Botenstoffe, die eine endokrine Drüse ins Blut ausschüttet und die sich dann per Schlüssel-Schloss-Prinzip ihre Zielzellen oder -organe suchen. Sie docken nur da an, wo sie genau wie ein Schlüssel in das dafür vorgesehene Schloss passen. Der Weg ist das Ziel. Manche müssen einen Marathon auf sich nehmen, um an ihren Zielrezeptor zu gelangen. Der Weg durch sämtliche Blutgefäße von der großen Vene bis zum feinsten Kapillarnetz entspricht einer Strecke von rund 100.000 Kilometern. Das ist mehr als zweimal um die Erde.

Wie von einem andern Stern, so empfinden wir manchmal andere Menschen aber auch uns selbst…wir haben gelernt, Hormone können dafür verantwortlich zeichnen, …viele andere Faktoren aber auch!

Das Interview mit Endokrinologe Prof. Dr. Martin Fassnacht führte Lebenslinie Chefredakteurin Susanna Khoury.

 

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