Helfen, zu verstehen

Gebärdensprachdolmetscher verschaffen gehörlosen Menschen in vielen Situationen Gehör

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Wenn der Chef zur Betriebsversammlung einlädt oder ein Arzt konsultiert werden muss, wenn das Jobcenter einen Besuch wünscht oder ein Gerichtstermin ansteht, sind sie dabei: Gebärdensprachdolmetscher helfen Gehörlosen, zu verstehen. Um die unterfrankenweite Vermittlung von Dolmetschern kümmert sich der Paritätische Wohlfahrtsverband mit seinen in Würzburg etablierten Diensten für Hörbehinderte. Sieben Dolmetscherinnen können derzeit vermittelt werden.

Was bei Blindheit die Brailleschrift ist, ist im Falle von Gehörlosigkeit die Gebärdensprache. Wobei es einen großen Unterschied gibt. Blinde Menschen kommen durch ihren Hörsinn in vielen Situationen ohne Hilfsmittel klar. Fehlt der Hörsinn, wird Inklusion in einer Kommunikationsgesellschaft schwierig. Gehörlose Menschen sind ständig auf Gebärdensprachdolmetscher angewiesen. In der Vergangenheit waren diese rar, da es für sie kaum Ausbildungsstätten gab. „Seit Winter 2015 kam man in Landshut erstmals in Bayern Gebärdensprachdolmetschen studieren“, berichtet Uta Schmitgen von der Gehörlosenberatung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands.

Den Bedarf zu decken, ist dennoch nach wie vor kaum möglich. Problematisch ist außerdem, dass bei weitem nicht jeder Dolmetschereinsatz finanziert wird, sagt Thomas Hetterich, zweiter Vorsitzende des Bezirksverbands der Gehörlosen in Unterfranken.

Der Verband verfügt über einen Topf, der vom Bezirk Unterfranken freiwillig bestückt wird. Aus dem werden nicht gedeckte Dolmetscherkosten bestritten. Dabei kann es sich zum Beispiel um einen Vortrag handeln, an dem mehrere Gehörlose teilnehmen möchten. Aber auch Gespräche in der Schuldnerberatungsstelle werden hierüber finanziert. Zu dolmetschen, ist eine ziemlich anstrengende Arbeit, schildert Alexa Dölle, staatlich geprüfte Gebärdensprachdolmetscherin, die seit 27 Jahren für Gehörlose übersetzt.

Gebärdensprachdolmetscher benötigen außerdem viel Empathie. „Wir kriegen so gut wie alles aus dem Leben unserer Klienten mit“, so die studierte Sozialarbeiterin. Mag sein, ein Arzt eröffnet einem gehörlosen Mann, dass er HIV-positiv ist: „Dann übersetzen wir das.“ Gebärdensprachdolmetscher begleiten aber auch Eheleute, die sich mit ihrem Partner verkracht haben, zum Scheidungsanwalt. Alexa Dölle bemüht sich bei ihrer Dolmetscherarbeit stets darum, sehr exakt die jeweilige Stimmung auszudrücken. Sie übersetzt also nicht nur, was vor Gericht, auf dem Standesamt, bei einer politischen Veranstaltung oder beim Arzt gesagt wird. Oder umgekehrt, was ein gehörloser Mensch geantwortet hat.

„Wenn ein Gehörloser heftig gebärdet, werde ich beim Übersetzen ebenfalls sehr laut“, sagt Dölle. Das sorgt oft für Verwunderung. Vielleicht mokiert sich sogar jemand bei einer öffentlichen Veranstaltung über Dölles „Ausbruch“. Aber nur auf diese Weise gelingt es im Wortsinn, Menschen mit Hörbehinderung „Gehör zu verschaffen“.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband vermittelt etwa 1.000 Mal im Jahr Gebärdensprachdolmetscher. Kontakt ist unter Telefon 0931.35401-15 oder unter E-Mail uta.schmitgen@paritaet-bayern.de möglich.

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