Gefährliche Rohkost

Ökotrophologin Birte Willems über Obst- und Gemüsesorten, die auf keinen Fall roh gegessen werden sollten

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Birte Willems: „Spinat eignet sich zum Rohverzehr. Allerdings sollten nur die jungen Blätter des Gemüses verwendet werden. Der junge Spinat enthält deutlich weniger Oxalsäure als etwa Wurzelspinat. Die negative Wirkung der Oxalsäure kann zudem gemindert werden, wenn man zum Salat kalziumreiche Milchprodukte isst, beispielsweise ein Joghurtdressing“. Foto: ©Sarah Bachner

Rohkost ist gesund, keine Frage! Vitamine, Mineralien, Spurenelemente oder sekundäre Pflanzenstoffe, all diese für die Gesundheit zuträglichen Inhaltsstoffe zahlreicher Obst- und Gemüsearten verlieren durch Erhitzen an Wertigkeit.

Dennoch ist der Mehrwert für bestimmte Sorten das Kochen, da sie roh verzehrt, im schlimmsten Fall zu lebensgefährlichen Vergiftungen führen könnten, so die Ökotrophologin Birte Willems aus Esselbach im Spessart.

„Dazu ­gehören etwa grüne Bohnen, Kartoffeln, Auberginen, Süßkartoffeln, Rhabarber oder bestimmte Speisepilze“, klärt die Ernährungsberaterin auf. Grüne Bohnen enthalten Phasin, ein Zucker bindendes giftiges Eiweiß. Dieses behindere die Nährstoffaufnahme im Darm und könne bei übermäßigem Genuss die Darmzotten langfristig schädigen. Phasin ist wie andere Eiweiße auch temperaturempfindlich und wird beim Kochen zerstört. Daher sollten grüne Bohnen vor dem Verzehr mindestens 15 Minuten erhitzt werden, betont Willems.

Bei Auberginen oder Kartoffeln sei es das Solanin, das bei Rohverzehr zu Vergiftungssymptomen wie Benommenheit, Übelkeit oder Erbrechen führen könne.

Dass die Süßkartoffel, botanisch ein Windengewächs, auch gut roh gegessen werden kann, stimme so nicht, warnt die Fachfrau. „Es gibt Sorten, die enthalten giftige Blausäure, welche nur durch Erhitzen eliminiert wird. Daher rate ich vom Verzehr von rohen Süßkartoffeln ab, da man in der Regel als Verbraucher nicht in Erfahrung bringen kann, ob es sich um eine blausäurefreie Sorte handelt“. Ansonsten ist die Süßkartoffel aber ein Geschenk der Natur: Sie beinhaltet Mineralstoffe wie Kalium und Kalzium und dazu noch zellschützende Karotinoide.

Vorsicht bei Oxalsäure!

„Von der Hand in den Mund“ ist ein Konzept vieler Rohkostbefürworter. Doch auch, wenn viele Gemüse und Obstsorten roh verzehrt werden können, bergen manche giftige Überraschungen, die sich zu lebensbedrohenden Zuständen auswachsen können. Diplom-Ökotrophologin Birte Willems warnt vor unreflektiertem Rohverzehr augenscheinlich gesunder Lebensmittel. Foto: ©depositphotos.com/@sedneva

Und nun fängt es an ein bisschen kompliziert zu werden. Denn es gibt Stoffe, wie die Oxalsäure, die in sehr hoher Konzentration beispielsweise in Rhabarber vorkommt. Dieser solle auf keinen Fall roh zu sich genommen werden. Während die Konzentration der Kleesäure (historischer Name der Oxalsäure) im Brokkoli, Blumenkohl, Radieschen oder Brunnenkresse wesentlich geringer sei, so dass diese in der Regel unbedenklich roh verspeist werden könnten, so Birte Willems. Dennoch gilt, nicht mehrere Tage oder gar Wochen ununterbrochen Oxalsäurehaltige Lebensmittel zu verzehren wie etwa rote Beete, Spinat oder Mangold, die eine relativ hohe Konzentration haben und dennoch roh gegessen werden können.

„Oxalsäure kann in großen Mengen verzehrt zu Vergiftungserscheinungen wie Erbrechen und Kreislaufproblemen führen. Sie bindet zudem Mineralstoffe wie Kalzium, Magnesium und Eisen und kann mit ihnen einen Komplex bilden. Der Körper scheidet diesen Mineralstoff-Oxalsäure-Komplex über die Nieren aus. Wer also häufig Oxalsäure zu sich nimmt, kann Blasen- oder Nierensteine bekommen“, informiert die Ökotrophologin.

Bitterer Nachgeschmack

Auch bei Kürbis und Zucchini, egal ob roh oder gekocht, sei Vorsicht geboten, sagt die Ernährungsfachkraft aus Main-Spessart. Schlagzeilen wie „Rentner stirbt nach dem Verzehr von
selbst angebauten Zucchinis“ lassen selbst eingefleischte Vegetarier und Veganer aufhorchen. Wie kann es dazu ­kommen? „Manche Kürbisgewächse, zu denen auch Zucchinis gehören, können sogenannte Cucurbitacine enthalten. Diese Gifte sind hitzebeständig und kaum wasserlöslich.

Das bedeutet, weder durch Kochen noch durch andere Garverfahren kann das Gift neutralisiert werden“. Ob sich Cucurbitacine in einem Gemüse befinden, lässt sich jedoch leicht durch den sehr bitteren Geschmack feststellen. Dieser ist schon bei sehr geringen Konzentrationen gut wahrnehmbar.

„Kürbisse oder Zucchini, die bitter schmecken, sollten auf keinen Fall verzehrt werden, denn im schlimmsten Falle kann es zu einer tödlich verlaufenden Lebensmittelvergiftung wie im Falle des Rentners kommen“, betont Willems. Normalerweise ist das Gift aus Kürbissen und Zucchini herausgezüchtet worden. Es kann aber wieder neu entstehen, wenn sich beispielsweise Speisekürbisse mit Zierkürbissen kreuzen, weil diese direkt nebeneinander angebaut werden.

Foto: ©Susanna Khoury

Und auch bei Pilzen sollte man nicht auf sein Glück vertrauen, sondern sich eingehend informieren, bevor man diese in den Mund steckt: „Neben Giftpilzen gibt es eine Reihe von Speisepilzen, die im rohen Zustand ebenfalls giftig sind. Dazu zählen Perlpilz, Hallimasch, Rotkappe, Marone und Hexenröhrling“, sagt Birte Willems. Zuchtpilze wie Shiitake oder Austernpilze könnten zwar roh gegessen werden, schmeckten aber nicht besonders gut. Zudem könne manchen Menschen der Verzehr von rohen Kräuterseitlingen Magenschmerzen bereiten – also auch keine Glückspilze …!

Es grünt so grün …

Dagegen überrascht es vielleicht, dass alle Kohlsorten oder auch Erbsen wunderbar roh gegessen werden können. „Ob Rot-, Weiß, Grün-, Rosen- oder Blumenkohl – alle Kohlsorten sind gesund. Sie enthalten reichlich Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe sowie sekundäre Pflanzenstoffe. Den sekundären Pflanzenstoffen werden viele positive Wirkungen auf den menschlichen Organismus nachgesagt.

Beispielsweise sollen Glucosinolate, welche reichlich in Kohl vorkommen, vor bestimmen Krebsarten schützen“, weiß die Ernährungsberaterin. Allerdings sind diese Stoffe hitzeempfindlich, weshalb es sich empfiehlt, Kohl auch mal roh als Salat zu sich zu nehmen. Erbsen sind ja bekanntlich Hülsenfrüchte; dennoch nehmen sie innerhalb der Pflanzenfamilie eine Sonderstellung ein. Im Gegensatz zu Bohnen enthalten Erbsen kein Phasin.

„Sowohl frische Erbsen als auch unreif geerntete Zuckerschoten kommen also für den Rohverzehr infrage. Allerdings munden sie nur, solange sie noch sehr jung sind, später verwandelt sich der enthaltende Zucker in Stärke und die Erbsen schmecken mehlig“.

Es grünt so grün: Clorophyll ist gesund und im Trend. Dennoch heißt es Augen auf bei der Rohkost-Ernährung und nicht, wie von diversen „Rawfood“-Anhängern empfohlen, von Kartoffeln über Tannennadeln und Holunderbeeren alles roh in den Schredder und blind konsumieren. Sonst kann man auch mit Grünzeug sein blaues Wunder erleben …!

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