„Es gibt nur zwei Arten zu leben. Entweder so als wäre nichts ein Wunder oder so als wäre alles ein Wunder“, hat Albert Einstein einmal gesagt und damit das Wahrnehmen von Kindern auf den Punkt gebracht: Kinder erleben alles, was geschieht, als Wunder! Sie erfreuen sich an Kleinigkeiten und hören einfach nicht auf zu staunen. Sie leben im Hier und Jetzt, sind optimistisch, unabhängig, risikobereit, hartnäckig, neugierig, kreativ, resilient, offen, achtsam und dankbar. Unbezahlbare Eigenschaften, die zu Glück, Erfüllung, Zufriedenheit und Gesundheit auch im späteren Leben beitragen. Hotelierin Sabine Unckell (60) lebt ihr „inneres Kind“ und lässt sich von nichts und niemanden unterkriegen – sie ist ein Paradebeispiel des Mitglieds der Silver Society wo 60 das neue 40 ist! Wie man im Kopf und Herzen jung bleibt, das wollten wir von ihr wissen.
Sabine Unckell (SU): „Meine besten Freundinnen behaupten von mir, ich sei ein ‚Kindskopf‘. Wahrscheinlich haben sie recht. Ich sehe die Welt gerne durch Kinder-Augen, die noch staunen können, lachen, sich selbst nicht so ernst nehmen. Vielleicht lasse ich mich auch deswegen noch von einer Kinderärztin behandeln, wenn ich krank bin (hat aber auch etwas mit ihrer Kompetenz zu tun) …!“
Lebenslinie (LL): Wie lebt man sein „inneres Kind“?
SU: „Im Hier und Jetzt leben ist meine Lebensphilosophie. Es bedeutet, sich ganz auf den gegenwärtigen Moment einzulassen, anstatt sich über die Vergangenheit zu sorgen oder sich über die Zukunft Gedanken zu machen. Das ist eine schöne Lebensweise, aber als Erwachsener mit Verantwortung ist man auch verpflichtet, sich über das Morgen Gedanken zu machen, zumal ich die Verantwortung für nun zwei erwachsene Kinder habe/hatte und für 50 Teammitglieder in meinen Hotels. Ausgleich finde ich in der Musik. Da bin ich nur im Jetzt und Hier. Das intensive Erleben und Genießen von Musik ist pure Freude! Für mich kommt die schönste Zeit im Jahr, wenn die roten Fahnen des Mozartfestes in der Stadt wehen … in der übrigen Zeit, gehe ich gerne zu Konzerten der Musikhochschule, des Monteverdi-Chors, ins Siebold Museum oder ins Theater.“
LL: Die Corona-Zeit war vor allem auch für die Hotelbranche alles anderes als „lustig“. Wie bewahrt man sich in Krisenzeiten sein positives Denken?
SU: „In der Regel gehe ich immer optimistisch, manchmal auch euphorisch an Projekte heran. Ich denke nicht ans Scheitern, bin aber hellwach für die Zeichen der Zeit. Auch in der Pandemie habe ich versucht, die Umstände positiv zu nehmen. Tagsüber habe ich mit unserem Hausmeister Petru und meinem Sohn Julius renoviert, neugestaltet, Akten geschreddert, mein Büro aufgeräumt und abends war ich walken und habe viel Zeit im Garten verbracht. Ich habe nach vorn gesehen und mich beschäftigt, um nicht ins Grübeln zu kommen.“
LL: Kinder wollen am liebsten schnell alles alleine machen, unabhängig sein … ist Unternehmertum ein Pendant zu dieser Freiheit aus Kindheitstagen?
SU: „Unabhängigkeit zu lieben, bedeutet, die Fähigkeit und den Wunsch zu schätzen, eigenverantwortlich zu handeln und unabhängig zu leben. Es ist die Freude daran, Entscheidungen selbst zu treffen, für sich selbst zu sorgen und die Kontrolle über das eigene Leben zu haben. Es gibt bestimmt die eine oder andere Situation, in der man sich wünscht, nicht alleine verantwortlich zu sein, das gibt sich dann aber schnell wieder. Unabhängigkeit ist die große Freiheit, die wir als Kinder spüren und im Erwachsenenleben oft vermissen. Selbstständig arbeiten beinhaltet diese Freiheit.“
LL: Jedes Elternteil kennt sie, die „Warum-Phase“ der Sprösslinge. Diese Phase zeugt von Wissenshunger, Neugier und vor allem Hartnäckigkeit. Warum helfen solche Eigenschaften auch später weiter?
SU: „Hartnäckigkeit ist eine wertvolle Eigenschaft, die oft den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg macht. Ich wollte schon als junges Mädchen in die Hotellerie, meine Eltern waren mit meinem Berufswunsch nicht glücklich. Ich habe in den Ferien in zahlreichen Hotels gejobbt und mein Wunsch wurde trotz der vielen Arbeit immer wieder bestätigt. Nach dem Abitur habe ich mich durchgesetzt und bin ins Hotelfach gegangen. Das habe ich nie bereut. Mit genau der gleichen Hartnäckigkeit, die ich bei meinem Berufswunsch hatte, habe ich mich auch im Berufsleben durchgesetzt. Mit Mitte zwanzig wurde ich Direktorin eines 5-Sterne-Hotels einer bekannten privaten Hotelgruppe in Köln (Althoff Privathotels). Neugierde und Wissenshunger bleiben auch im Alter. Ich interessiere mich sehr für Menschen, deren Berufe und Geschichte, für Politik, die Natur und Musik. Sich fordern, ist ein υ
υ wichtiges Element, wenn man aktiv und geistig fit im Alter sein möchte.“
LL: Kinder stehen immer wieder auf, wenn sie fallen. Heute bezeichnet man das als Resilienz. Welche Rolle spielt, sich durchzubeißen?
SU: “Schicksalsschläge machen stark. Wenn man Kinder hat, ist es wichtig, stark zu sein. Alleinerziehende Mutter zu werden, war nie mein Wunsch, aber so war es nun mal. Mit 40 habe ich mich mit dem ,Best Western Hotel Nürnberg‘ selbstständig gemacht. Sechs Jahre später habe ich um die Übernahme des Hotels ‚Würzburger Hof‘ gekämpft. Ich wollte unbedingt meinen beruflichen Lebensmittelpunkt wieder nach Würzburg verlagern. Das Projekt hat mich getragen und damit habe ich mir einen ganz persönlichen Wunsch erfüllt. Ein Traditionshaus mit lauter individuellen Zimmern und Gästen. Ein Zuhause außerhalb des Heims für meine Teammitglieder und mich. In allen drei Häusern verstehen wir uns als Familie. Im März letzten Jahres kam dann nämlich das Hotel ,Vier Jahreszeiten“ hinzu, welches wir ebenfalls neu gestaltet haben, und das noch mal eine ganz eigene Zielgruppe an Gästen hat. Scheitern und Aufgeben waren für mich nie eine Option, nicht bei schweren Krankheiten in der Familie, Enttäuschungen oder Trauer. Ich schaue nicht zurück. Und wenn ich traurig bin, versuche ich möglichst schnell etwas Positives in die Waagschale zu werfen.“
LL: Kinder nehmen kein Blatt vor den Mund und kommunizieren immer offen ihre Bedürfnisse. Sie auch?
SU: „Offenheit musste ich mir hart erarbeiten. Ich stamme aus einer Generation, in der Kinder sich weder durch Offenheit noch durch Bedürfnisse hervortaten. Ich hatte ,brav‘ zu sein. Erst viel später, und daran arbeite ich immer noch, lernte ich, offener mit meinen Ansichten und Bedürfnissen umzugehen. Das war ein sehr langer Prozess vom ständigen Funktionieren bis zum sich Bewusstmachen, dass ich selbst auch einen Anspruch auf Aufmerksamkeit habe. Mit Empathie auf mein Gegenüber zuzugehen, ist heute leider keine weit verbreitete Eigenschaft. Für mich schon, deshalb bin ich auch Dienstleisterin geworden.“
LL: Kinder sammeln Momente, sie sind achtsam und dankbar. Wie lebt man diese Eigenschaften auch im Alter?
SU: „An der ‚Achtsamkeit‘ arbeite ich noch, aber ich mache Fortschritte. Heute nehme ich mir Auszeiten, auch wenn es nur mal ein Tag oder ein Wochenende ist. Und ich bin sehr dankbar für mein Leben, ohne all das Erlebte wäre ich nicht die, die ich bin. Ich erfreue mich so sehr an meinen Kindern (zwischen uns passt kein Blatt), meinem Partner, meinen lieben Freunden, der Musik und der Schönheit der Welt … die Eisberge der Discobucht, ein Wal im Meer, Vulkane, Wildnis, in einer Jurte aufwachen und wie ein geräucherter Fisch riechen, einen Adler auf dem Arm halten zu dürfen, schneebedeckte Berge, die Einfachheit der Länder mit wenig Tourismus, aber auch die Schönheit Italiens, die Brandung in der Bretagne, Weltkulturerbe-Stätten … all das ist großartig! Und schön sind auch Abende mit Freunden, mit einem Glas Frankenwein und guten Gesprächen: Ich verdanke ihnen so viel!“
Das Interview mit Hotelierin Sabine Unckell führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury.