Es ist nicht alles grün, was glänzt

Prof. Heiko Paeth über Greenwashing und die Folgen

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©Universität Würzburg/Pressestelle

Den Oscar beziehungsweise die Goldene Himbeere kennt jeder. Anders ist es mit dem „Goldenen Geier“ der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Dabei ist dessen Bedeutung nicht zu unterschätzen. Mithilfe einer öffentlichen Abstimmung wurde auch 2024 die „dreisteste Umweltlüge“ gekürt. Mehr als 20.000 Menschen verliehen dem Nahrungsmittelkonzern Nestlé im Juli den Schmähpreis für seine Imagekampagne „#UnterwegsNachBesser“1. „Nestlé wirbt unter anderem damit, dass es Plastik-Verpackungsmaterial einspart, indem beispielsweise die Smarties-Verpackung auf Papier umgestellt wurde“, erklärt die DUH. Der Konzern suggeriere, er achte auf die Umwelt. Dabei falle durch die Umstellung von Einweg-Plastik auf Einweg-Pappe kein Gramm weniger Müll an. Der Appell des Vereins lautet daher: „Augen auf bei Werbelügen, es ist nicht alles grün, was glänzt!“ Oder anders gesagt: Das ist Greenwashing. „Darunter versteht man, dass Unternehmen, manchmal auch politische Systeme, ihre Aktivitäten vor dem Hintergrund von Klimafreundlichkeit oder gar -neutralität darstellen, obwohl das klimatologisch gar nicht der Fall ist“, erklärt der renommierte Würzburger Klimaforscher Dr. Heiko Paeth. Gut gemacht, aber nicht gut gemeint! „Man tut so, als würde man Klimaschutz betreiben, aber tut es gar nicht oder in geringerem Umfang, als das Marketing es nahelegt.“ So wie laut DUH im Fall Nestlé. Das Unternehmen gehöre laut „Break Free From Plastic“ nach wie vor zu den globalen Hauptverursachern von Plastikmüll und ist im Jahr 2023 sogar auf Platz zwei des internationalen Rankings aufgerückt. Die Folgen von Greenwashing können weitreichend sein, betont der Professor. „Die Unternehmen bringen Produkte ohne tiefgreifende Veränderungen in der Produktionsweise, in den Lieferketten und im Transport weiter an Konsumentinnen und Konsumenten, die eigentlich nachhaltiger konsumieren wollen.“ Der Effekt: „Wir schützen unser Klima nicht wirklich. Oder eben nicht genug. Das heißt, wir beruhigen unser Gewissen, tun aber nichts.“ Dem Klimasystem sei völlig egal, mit welchen Begriffen wir unsere Handlungsweisen beschreiben, mahnt er. „Das Klimasystem interessiert sich nur dafür, ob die Treibhausgas-Konzentrationen in der Atmosphäre weiter steigen oder nicht. Und das tun sie kaum gebremst. Trotz aller Diskussionen um Klimaschutz und -politik. Greenwashing ist ein Teil des Problems.“ Doch wie erkennen Verbraucherinnen und Verbraucher, ob ein Unternehmen wirklich grüne Ziele verfolgt? „Das ist im Einzelfall wirklich sehr schwer. Damit befassen sich Gerichte ständig“, sagt Klimaexperte Paeth. Plumpe Versuche wie „Tankstelle versus Klimaneutralität“ seien einfach auszumachen, bei Nahrungsmitteln mit einer ökologischen Reputation sei das schon nicht mehr so einfach. Professor Paeth zufolge sei es bei Urteilen zuletzt stets darauf angekommen, was im Kleingedruckten steht. Die Konsequenz: Verbraucherinnen und Verbraucher müssen nachlesen, um sich selbst ein Urteil zu bilden. Aber: „Manchmal ist das gar nicht so leicht zu beurteilen, selbst für einen Spezialisten wie mich“, räumt Paeth ein. Helfen bestimmte Label? Ein Beispiel ist „Planet Score“. Laut dem Bundesverband Naturkost Naturwaren2 handele es sich um ein „ökologisches Nachhaltigkeitslabel, das Auskunft über die Umweltauswirkungen von Lebensmitteln gibt“. Zurück gehe es auf eine Initiative von 16 französischen Verbraucherschutz- und Umweltverbänden. Bei unseren Nachbarn kommt das vom französischen Forschungsinstitut für ökologische Landwirtschaft und Lebensmittel entwickelte Label gut an. Der Vorteil des „Planet Score“-Labels gegenüber ähnlichen Siegeln sei, dass es Faktoren aufschlüsselt, die in die Ökobilanz hineinspielen und so Konsumentinnen und Konsumenten zu differenzierten Kaufentscheidungen verhilft. Aus Sicht des deutschen Verbraucherportals Lebensmittelklarheit sei das ein Schritt in die richtige Richtung. Am Ende sind Unternehmen und Politik in der Pflicht – aber auch jeder Einzelne. „Je näher man am Erzeuger dran ist, desto sicherer kann man sein, was das für ein Produkt ist und was dazwischen alles passiert sein könnte“, so Dr. Paeth. 

Quellen: 1 https://www.duh.de/goldenergeier/2024, 2 https://n-bnn.de/planet-score

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