
©Daniel Peter
„Die Zahl der akut Hungernden hat sich in den letzten drei Jahren fast verdreifacht und liegt bei 345 Millionen“, berichtet Dr. Martin Frick, Direktor des UN-Welternährungsprogramms für Deutschland, Österreich und Liechtenstein1. Es steht zu erwarten, dass sich die Lage noch mehr zuspitzt. Die Umweltprobleme noch gravierender werden. Die Böden noch kränker. Um gegenzusteuern, wird eine „Ernährungswende“ hin zu mehr pflanzlicher Ernährung gefordert. Dafür plädiert auch die Wirtschaftsgeografin Marit Rosol. „Eine Orientierung hin zu mehr pflanzlicher Ernährung ist aus vielen Gründen sinnvoll und nötig“, so die Würzburger Universitäts-Professorin. Im Grunde mag niemand riesige Monokulturen von Raps haben. Niemand mag, dass Nutztiere gequält werden. Eine Ernährungswende sollte laut Rosol sowohl den Klima- als auch den Wasser-, Biodiversitäts- und Emissionsschutz in den Blick nehmen. „Fleisch- und Milchkonsum sollen nicht verboten sein“, betont sie. Es gehe vielmehr um einen bewussteren Konsum: „Um weniger und bessere Tierprodukte, um artgerechte Haltung und die Verwendung von wertvollem Agrarland vorrangig für Nahrungs- statt für Futtermittel.“ Verboten sein sollte jedoch jede „unwürdige Massentierhaltung“. Die bringe viele Probleme mit sich. Dazu gehören laut der Würzburger Forscherin zum Beispiel Antibiotika-Resistenzen sowie die Belastung von Böden und Wasser mit Nitrat. „Verboten werden sollte auch das Abholzen von Regenwald zur Sojaproduktion als Grundlage eines überdimensionierten Fleischkonsums“, fordert sie. Für eine Ernährungswende spricht sich auch Gerd Sych von der Organisation „Slow Food Convivium Mainfranken-Hohenlohe“ aus. „Slow Food ist schon immer dafür gewesen, den Fleischkonsum einzuschränken“, sagt er. Geschehen könnte dies zum Beispiel durch eine ganzheitliche Verarbeitung geschlachteter Tiere. „Nicht nur Filet, sondern alle Teile eines Tieres sind Edelteile und sollten mit entsprechendem Respekt in der Küche verarbeitet werden“, appelliert er. Eine Ernährungswende sei wichtig, da aktuell ein großer Teil des Tierfutters aus Drittländern nach Deutschland importiert wird: „Damit gehen wertvolle Flächen zum Beispiel für den Anbau von Hülsenfrüchten verloren.“ Aktuell stelle sich die Frage, wie Bürgerinnen und Bürger mit geringem Bruttolohn überhaupt noch Lebensmittel finanzieren sollen. „Können sich Menschen aus finanziellen Gründen keine ausgewogene Ernährung leisten, ist das ein gesundheitliches Problem, aber auch ein Problem gesellschaftlicher Teilhabe“, sagt dazu Prof. Rosol. Das müsse angegangen werden: „Sind Löhne und Sozialleistungen angemessen und wären die Ausgaben für Wohnen geringer, könnten alle die wahren Preise für eine gute und zukunftsorientierte Landwirtschaft bezahlen.“ Keinesfalls dürften die Preise laut Rosol gesenkt werden. Die seien inzwischen ohnehin so gering, dass eine gute Landwirtschaft ökonomisch fast nicht mehr machbar ist. Auch Sych sieht Lebensmittelpreise als „problematisch“ an: „Durch Billigangebote werden Verbraucherinnen und Verbraucher zu höherem Fleischkonsum angeregt.“
Quelle: 1www.klimawandel-gesundheit.de/ernaehrungswende-lebensmittel-fuer-menschen-statt-futter-fuer-fleischerzeugung/