Drohend unterversorgt

Region sucht Ärzt:in! Landärzt:innenmangel in Unterfranken

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Im Durchschnitt sind Unterfrankens niedergelassene Hausärzt:innen 55,8 Jahre alt. 39 Prozent der 937 Mediziner:innen (Stand: Januar 2022) sind 60 Jahre und älter. Der Ruhestand gerät in Blickweite, doch wird es zunehmend schwerer, als Hautsärzt:innen gerade im ländlichen Raum eine:n Nachfolger:in zu finden. Es fehlt generell an Mediziner:innen in Deutschland, Optionen für junge Ärzt:innen gibt es ausreichend – und viele geben der Anstellung mit deutlich höherer Work-Life-Balance gegenüber der eigenen Praxisniederlassung den Vorzug.

Wie steht es also um die hausärztliche Versorgung in Unterfranken? Über den Ist-Zustand gib der Versorgungsatlas der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) Auskunft. Als drohend unterversorgt oder unterversorgt eingestuft werden derzeit sechs der insgesamt 27 unterfränkischen Planungsbereiche: Bad Brückenau, Bad Königshofen, Gerolzhofen, Lohr am Main, Schweinfurt Nord und Würzburg West. „Sorgenkind“ ist dabei Lohr am Main mit einem Versorgungsgrad von nur knapp 76 Prozent. In anderen Regionen Bayerns sehe es nicht anders aus, sagt Dr. Christian Pfeiffer, Bezirksvorsitzender Unterfranken des Bayerischen Hausärzteverbands und niedergelassener Arzt in Giebelstadt. In den letzten Jahren habe die drohende Unterversorgung landauf landab noch mal an Dynamik gewonnen. Wichtig ist die Einstufung „drohend unterversorgt“ oder „unterversorgt“, weil dann das KVB-Förderprogramm „Region sucht Arzt“ greift. Lässt sich ein:e Ärzt:in in einer dieser Regionen nieder oder wird eine Praxis nachbesetzt, fließen Zuschüsse in Höhe von bis zu 90.000 Euro. Bis zu 15.000 Euro gibt es bei Eröffnung einer Zweitpraxis. Auch in die Anstellung weiterer Hausärzt:innen und entsprechende Investitionen fließen Gelder.

Erklärt sich ein:e Hausärzt:in bereit, die Praxis übers 63. Lebensjahr hinaus weiterzuführen, erhält er oder sie dafür bis zu 4.500 Euro pro Quartal. Kurzum: Die KVB tut reichlich, um das Arztpraxissterben auszubremsen. Auch die Bayerische Staatsregierung hat mit der sogenannten „Landarztprämie“ bereits 2012 ein Förderprogramm zur Niederlassung von Hautsärzt:innen gestartet. Daneben stehen regionale Initiativen wie etwa der Weiterbildungsverbund Allgemeinmedizin Main-Spessart, der Anreize zur Weiterbildung zum:zur Fachärzt:in für Allgemeinmedizin vor Ort liefern will. Das Klinikum Main-Spessart und verschiedene Hausarztpraxen kooperieren hier, um eine lückenlose Weiterbildung in Klinik und Praxis ohne Wohnortwechsel zu gewährleisten. Andere Regionen setzen noch früher an, um möglichst zeitig zu binden. Der unterfränkische Landkreis Haßberge hat mit dem „Main Sommer“ ein spezielles Programm entwickelt, das Famulaturen mit Freizeitprogrammen verknüpft. Ähnlich gelagert ist das Famulaturprogramm im Rahmen des Konzepts „Main.Landarzt“ im Raum Miltenberg. Ziel des mehrtägigen Programmes ist es, dass auch auswärtige Medizinstudierende den Landkreis und seine Angebote kennenlernen in medizinischen Workshops, verknüpft mit einem attraktiven Freizeitangebot. Man lässt sich einiges einfallen, um dem Landärzt:innenmangel entgegenzusteuern, allerdings bislang mit mal mehr, mal weniger Erfolg, wie der KVB-Versorgungsatlas zeigt.

Und das Problem ist aus Dr. Pfeiffers Sicht nicht allein auf die demografische Entwicklung zurückzuführen, sondern auch hausgemacht: „Die Weiterbildung zum Allgemeinmediziner wurde in den letzten zehn, 20 Jahren ziemlich vernachlässigt.“ Mit anderen Worten: Das hausärztliche Dasein war lange Zeit im Studium nur Randthema. Erst seit wenigen Jahren gibt es an den meisten bayerischen Universitäten mit medizinischer Fakultät eigene ordentliche Lehrstühle für Allgemeinmedizin. In Würzburg existiert ein entsprechender Lehrstuhl seit Ende 2017, zuletzt zog dieses Jahr in Bayern im Februar Augsburg nach. Im März hatte die Bayerischen Staatsregierung überdies bekannt gegeben, in Niederbayern einen Medizincampus mit bis zu 600 neuen Studienplätzen zu schaffen, die Ausbildung soll sich auf Passau Deggendorf, Straubing und Landshut verteilen. Die Zahl der Medizinstudierenden wird sich also insgesamt erhöhen. Auch verschiedene Projekte der vom BHÄV 2013 ins Leben gerufenen Stiftung zielen auf mehr Sichtbarkeit der Allgemeinmedizin im Medizinstudium ab. Vom Studium über die Weiterbildung bis hin zur Niederlassung können angehende Hausärzt:innen in Bayern Fördermaßnahmen in Anspruch nehmen. Unter anderem werden Unterbringungs- und Reisekosten bis zu einer bestimmten Höhe getragen, wenn sich Studierende für eine Famulatur oder ein Blockpraktikum in einer Landarztpraxis oder für ein Praktisches Jahr in einer Lehrpraxis entscheiden.

Reformiert werden soll auch die Approbationsordnung für Ärzt:innen. Bereits vor fünf Jahren hatten sich die Gesundheits- und Kultusministerien der Länder eigentlich auf den „Masterplan Medizin 2020“ geeinigt – und der sieht eine deutliche Stärkung der Allgemeinmedizin inklusive längerer Aufenthalte in hausärztlichen Praxen vor. Der Haken: Verabschiedet werden sollte der Masterplan, wie sein Name zeigt, schon vor zwei Jahren. Bis jetzt wird auf politischer Ebene aber um die Finanzierung gestritten – und die hausärztliche Versorgung verschlechtert sich zeitgleich weiter.

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