„Gutes Essen ist kein entbehrlicher Luxus. Es wird die Basis für gesundes Leben bleiben“, sagte kürzlich Eckart Witzigmann anlässlich seines 80. Geburtstags. Der Koch, der als erster außerhalb Frankreichs drei Sterne erkocht hat und vom Restaurantführer Gault & Millau als „Koch des Jahrhunderts“ ausgezeichnet wurde. Bernhard Reiser, der Witzigmann persönlich kennt und ihn für den „Grandseigneur des Kochens“ hält, geht nicht nur in dieser Aussage mit ihm d’accord. Auch wenn es um Food-Trends in Sachen Ernährung geht, haben beide Sterneköche ähnliche Ansichten. Mit Bernhard Reiser haben wir uns dieses Mal über ketogene Ernährung unterhalten. Diesen strengen Verzicht auf Kohlehydrate aller Art (No-Carb-Diät) sieht der Food-Coach kritisch, zumindest wenn keine medizinische Notwendigkeit dafür besteht. „Ketogene (Keto-) Ernährung ist eine der ältesten Behandlungsmethoden der Epilepsie. Hier wurde beobachtet, dass Patient:innen mit Epilepsie während des Fastens mitunter eine verminderte Anfallshäufigkeit zeigten“, so Reiser.
Dass ketogene Diäten in Lifestyle-Magazinen immer mehr gehypt werden, könne er nicht gutheißen! Bei der Keto-Diät wird die Kohlehydrat-Zufuhr gedrosselt (maximal 30 Gramm am Tag), um den Körper in die sogenannte Ketose zu bringen. Ohne zugeführte Kohlenhydrate sind die körpereigenen Glykogen-Speicher schnell leer. Dann greift der Körper, um das Energielevel aufrecht zu erhalten an. Den neuen Stoffwechselzustand nennt man Ketose. „Diese strenge, aber auch einseitige Diät, die Fett und Eiweiß fokussiert, schlägt daher schnell an, und man nimmt schnell ab“, erklärt Reiser. Das sei die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite stehe ein Mangel an Vitaminen und anderen Nährstoffen durch den Verzicht auf Fruchtzucker, Milchzucker und Ballaststoffe. „Bei der Keto-Diät fallen nahezu alle Obstsorten raus, die meisten Milchprodukte, die meisten Getreidearten und auch zahlreiche Gemüsesorten“, weiß der Ernährungsexperte, der auch medizinischen Einrichtungen sein Wissen als Berater zur Verfügung stellt. Was auf dem Diätplan bei Keto steht, sind Fett und Proteine. Würden diese dann vorwiegend aus industriell bearbeiteten Fleisch- und Wurstwaren rekrutiert, sei die Ernährungsweise alles andere als gesund. Zudem stelle ketogene Ernährung für Nieren- und Herzpatient:innen eine Gefahr da (Überangebot an Eiweiß), ebenso für Lebergeschädigte, Diabetiker:innen und Patient:innen mit Athereosklerose (Überangebot an Fetten).
Als Alternative zur Keto-Diät nennt Reiser die weniger strenge Low-Carb-Diät oder das Intervallfasten. Müsse es unbedingt ketogene Ernährung sein, rate er auch gesunden Menschen zu einer maximalen Diät-Dauer von drei bis sechs Wochen. Das Robert Koch-Institut mahnt: Fast jeder dritte Mensch weltweit ist übergewichtig. „In Deutschland sind das zwei Drittel der Männer (67 Prozent) und die Hälfte der Frauen (53 Prozent).¹ Trotz der Tatsache, dass wir uns mehr denn je mit Essen und Ernährung beschäftigen und viele Menschen die gesundheitlichen Risiken von Fehlernährung kennen. Warum ist das so? Bernhard Reiser: „Weil wir das Falsche essen und uns zu wenig bewegen!“