Die Wut-Probe

Tipps zum Umgang mit „schlechten“ Gefühlen

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Das Leben ist seit einem Jahr streng reglementiert – und das kann richtig wütend machen. Wie groß die Wut ist und wie viele Menschen gerade knatschig sind, erlebt die Würzburger Psychologin Beate Hechtle-Frieß sowohl in ihrer psychotherapeutischen Praxis als auch bei ihren Beratungen im Zentrum für Aphasie und Schlaganfall Unterfranken (AZU). Ständig wütend zu sein, kann krank machen, sagt sie: „Allerdings ist es auch höchst ungesund, Wut zu unterdrücken.“ Vor allem das letzte Quartal des turbulenten Jahres 2020 ließ die „Wutsuppe“ brodeln. Zum zweiten Mal war ein Lockdown zu verkraften. Auf geliebte Rituale in der Adventszeit musste verzichtet werden. Das, was ihnen durch die Pandemie zugemutet wurde, brachte viele Menschen auf. Aus unterschiedlichen Gründen.

Beate Hechtle-Frieß berät Menschen, die nach dem Schicksalsschlag „Aphasie“ mit Trauer und Wut fertigwerden müssen. Foto: Hechtle-Frieß ©Pat Christ

„Da ist zum Beispiel die Trauma-Patientin, die sich unter größten Mühen ein freieres Leben erkämpft hat, doch plötzlich fühlt sie sich wieder massiv beschränkt“, schildert Hechtle-Frieß. Fitte Ältere macht es sauer, dass sie pauschal als „vulnerabel“ eingestuft werden. Natürlich gibt es auch diejenigen, die stark genug sind, mit Krisen fertig zu werden. Sie werden nur selten wütend. Sind sie verärgert, wissen sie instinktiv, damit gut umzugehen, so die systemische Therapeutin: „Und zwar deshalb, weil sie resilient sind.“ Wer diese Resilienz nicht habe, müsse sie sich aneignen: „Oft ist eben dies das Ziel von Beratung oder Therapie.“

Ganz einfache Dinge helfen, mit aufkommender Wut gut umzugehen: „Das können Entspannungstechniken sein, Spaziergänge, Naturbetrachtungen oder Jogging.“ Auch Schreien helfe. Und es sei durchaus erlaubt, mal wütend auf die Sessellehne zu hauen. Nicht selten sei Wut psychosozial bedingt. Habe ein Mensch zum Beispiel als Kind stark darunter gelitten, dass seine Freiheit eingeschränkt wurde, können die im Zuge der Pandemie angeordneten Maßnahmen vor allem aus diesem Grund wütend machen. „Es ist wichtig, zu verstehen, woher die Wut kommt“, betont Hechtle-Frieß. In der Therapie oder der Beratung werde deshalb hinterfragt, welche Ereignisse aus der eigenen Lebensgeschichte die aktuelle Wut aktiviert haben könnten. Wenn man gar nicht mehr weiß, wie man die Zeit totschlagen soll, weil so vieles, was man normalerweise gern tut oder was sonst im Alltag abgelenkt hat, weggebrochen ist, könne das ebenfalls auf die Palme bringen. Manche Menschen klagen dann: „Es ist gerade alles Sch…!“ Dann müsse versucht werden, zu differenzieren, erläutert die Psychologin. Sitzt ihr im Aphasiker-Zentrum ein Schlaganfallpatient gegenüber, der so etwas äußert, fragt sie: „Haben Sie in letzter Zeit vielleicht doch irgendeinen netten Menschen getroffen?“ Meist fällt dem Patienten etwas ein. Und plötzlich ist nicht mehr „alles“ schlecht. Je mehr Positives erinnert wird, umso kleiner wird die Wut.

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