Die Rolle der Chronobiologie in ChronoCity

Wie sich Bad Kissingen auf Eulen (Spättypen) und Lerchen (Frühtypen) einstellt

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„Ziel sollte es sein, dass wir die Arbeit um den Menschen biegen und nicht den Menschen um die Arbeit“, so Michael Wieden. Foto: ©www.TESSENBERG.com

„Ziel sollte es sein, dass wir die Arbeit um den Menschen
biegen und nicht den Menschen um die Arbeit“, so Michael Wieden. Foto: ©www.TESSENBERG.com

Der 29. April 2015 ist für Bad Kissingen ein besonderes Datum.

Der Wirtschaftsausschuss hat an diesem Tag Wirtschaftsförderer Michael Wieden mit der Entwicklung eines Szenarios beauftragt, durch das die Kurstadt eine Vorreiterrolle beim Ausstieg aus der Sommerzeit einnehmen könnte.

Mit dem Ziel, sich nach der inneren Uhr des Menschen auszurichten, geht man schon seit 2012 „schwanger“.

2016 existiert die Sommerzeit in Deutschland mit Pausen bereits 100 Jahre.

Forscher haben festgestellt, dass die Zeitumstellung Ende März für viele Menschen langfristig negative Gesundheitsfolgen hat.

So kann sich das Risiko von Unfällen am Arbeitsplatz, von Selbsttötungen, Schlaganfällen und Herzinfarkten erhöhen.

Warum das so ist, erklärt Dr. rer. nat. Thomas Kantermann, Chronobiologe an der Universität Groningen, wissenschaftlicher Leiter und Mit-Initiator der ChronoCity: „Jeder Mensch hat eine individuelle innere biologische Uhr. Sie muss täglich mit dem 24-Stunden Tag synchronisiert werden und dies geschieht durch Licht.“

Licht am Morgen sei besonders wichtig, um die innere Uhr ‚auf Kurs‘ zu halten.

Wenn man davon nicht genügend bekomme, verschiebe sich der Schlaf auf spätere Uhrzeiten. Da wir meist dennoch früh aufstehen müssten, führe dies zu einer Verkürzung der Regenerationszeit.

Die Folgen: „Die Akkus können nicht ausreichend aufgeladen werden“, ergänzt Wieden. Schulen und Unternehmen seien auf das Thema bereits aufmerksam geworden.

„Sie stoßen aber an Grenzen.“ Grund genug, sich den Spättypen („Eulen“), Frühtypen („Lerchen“) sowie den „Normaltypen“ (Intermediärtypen) in diesem weltweit einmaligen Pilotprojekt zu widmen.

Die „Normaltypen“ sind übrigens jene 60 Prozent der arbeitenden Bevölkerung, die zwischen 23.30 und 1 Uhr einschlafen und morgens ohne Wecker zwischen 7.30 und 9 Uhr aufwachen würden.

Folgen der Zeitumstellung: „Wir werden später am Tag müde und müssten dann eigentlich morgens länger schlafen“, so Dr. Kantermann. Foto: Reyer Boxem

Folgen der Zeitumstellung: „Wir werden später
am Tag müde und müssten dann eigentlich
morgens länger schlafen“, so Dr. Kantermann. Foto: Reyer Boxem

Aber: „80 Prozent brauchen dennoch einen Wecker an Arbeitstagen. Das zeigen die Daten aus dem Labor von Professor Till Roenneberg, LMU. Um die machen wir uns Sorgen und für diese Menschen steht ChronoCity ein“, so Kantermann weiter.

Um langfristig etwas zu bewegen, wird daher gleich an mehreren Stellen angegriffen. So existiert ein Pilotprojekt an einer Schule mit dem Ziel, diese um 9 Uhr beginnen zu lassen.

Daneben gibt es Gespräche mit Unternehmen über die Anpassung individueller Arbeitszeiten.

Außerdem soll es Projekte mit Kliniken geben, deren Therapiezeiten auf die individuellen Rhythmen von Spättypen, Frühtypen oder „Normaltypen“ angepasst werden sollen.

Sogar Operationszeiten könnten nach der inneren Uhr des Patienten optimiert werden. Auch eine Akademie wird es künftig in Bad Kissingen geben.

Aktuell steht aber erst einmal die Aufklärung im Vordergrund, von der auch die breite Bevölkerung, etwa bei den Gesundheitstagen 2016, profitieren kann.

Aber warum eigentlich Bad Kissingen? „An diesem Ort geht es traditionell um Gesundheit“, so der Initiator.

Es passe perfekt zum ursprünglichen Kurgedanken der Prävention.

Denn es geht vor allem um eines: „Etwas für die Gesund-Erhaltung zu tun, indem man wieder mehr auf seine innere Uhr hört und dafür auch etwas tut.“

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