Wo die geschmackliche Reise hingeht, ist noch offen. Vielleicht wird es etwas kräftiger oder nussiger als ein reines Weizenbrot. Das, was entsteht, könnte aber zukunftsweisend sein. Die Rede ist vom „Mischkulturbrot“, einem Projekt, das vom Verein „Die Freien Bäcker“ in Zusammenarbeit mit der Uni Kassel angestoßen wurde. Unter dem Titel „Vorwerts“ geht es darum, Erbsen und Weizen im Gemenge anzubauen, also beide Kulturen gemeinsam auf dem Feld, und das daraus gewonnene „Gemengemehl“ anschließend zu verbacken. Jetzt im Herbst steht die erste Ernte an. „Diese Art des Anbaus wird seit Jahrhunderten von vielen indigenen Kulturen und auch von Gärtnerinnen und Gärtnern weltweit erfolgreich umgesetzt“, erklärt der Würzburger Bio-Bäckermeister Ernst Köhler, Geschäftsführer von Köhlers Vollkornbäckerei und selbst Mitglied des Vereins. Anstoß für das Projekt gaben einige Faktoren – unter anderem die steigenden Produktionskosten bei negativen Umwelteffekten auf die Landwirtschaft, einer neuen Düngeverordnung und damit zusammenhängend eine rückläufige Produktqualität. „Die Landwirtschaft ist heute in der Zwickmühle – auf der einen Seite ziehen die Anforderungen des Handels, auf der anderen Seite der große Umweltaspekt“, erklärt der Bäcker aus Leidenschaft. Die Mischkultur könne eine „spannende Alternative“ sein. Gearbeitet wird an dieser in einem sogenannten Real-Labor. Dort würden Ernst Köhler zufolge drei Varianten in zwei Anbau-Sessions – Sommer und Winter – auf demselben Schlag angebaut. Die bisherigen Erfahrungen seien vielversprechend. „Die Erbse als Leguminose bindet Stickstoff im Boden, dieser ist für die Weizenpflanze verfügbar, was im Umkehrschluss auch bedeutet, dass weniger Stickstoff gedüngt werden muss“, sagt der Bio-Bäcker. Die Erbsenpflanze gewährleiste mehr Biomasse auf dem Feld, das sorge für eine stärkere Beschattung, höhere Luftfeuchtigkeit und niedrigere Temperaturen im Mikroklima, Regen könne besser aufgenommen und durch unterschiedliche Wurzeltiefen und einer verbesserten Bodenfauna effektiver gespeichert werden. Und letztlich: „Die Qualität des Weizenkorns bezüglich Protein- und Mineralstoffgehalt verbessert sich.“ Ernst Köhler will Anfang 2025 mit den ersten Backversuchen starten. Das birgt Herausforderungen: „Der Weizen aus Mischkultur hat einen anderen Klebeeiweißgehalt als ‚regulärer‘ Weizen, da muss man in der Backstube ein bisschen spielen mit Vorteigen, Ruhezeiten und so weiter.“ An sich lasse sich ein Gemengemehl aber genauso problemlos verbacken wie reine Mehle. Er und sein Team versprechen sich viel davon. „Durch den Erbsenanteil von bis zu zwei Prozent im Gemengemehl verringert sich der Gehalt an Gluten bei gleichzeitiger Erhöhung der Proteine. Das kann für Menschen interessant sein, die ihren Kohlenhydratkonsum reduzieren und die Proteinzufuhr erhöhen wollen“, sagt er. Doch die Vorteile lägen vor allem beim Umweltaspekt im Anbau.
Das Interview mit Bio-Bäckermeister Ernst Köhler und Laura Schendzielorz (Verantwortliche für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit bei Köhlers Vollkornbäckerei) führte Lebenslinie Chefredakteurin Susanna Khoury.