Das „Seine“ finden

Unter welchen Bedingungen (selbst stressige) Berufe glücklich machen

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Kommt das Thema „Job“ zur Sprache, hört man oft Ähnliches: Der Stress nimmt überhand. Zu viel ist mit zu wenig Personal zu tun. Die Bürokratie wächst. Es gibt aber auch Menschen, die sich pudelwohl fühlen an ihrem Arbeitsplatz. Die glücklich mit ihrer Berufswahl sind. Welche Jobs glücklich machen, lässt sich nicht pauschal sagen. „Das Wichtigste ist, dass man das Seine findet“, sagt der Würzburger Sprachwissenschaftler Dr. Gunther Schunk. Er selbst hat das Glück, das Seine gefunden zu haben. Was das Thema „Berufswahl“ anbelangt, hätten sich die Verhältnisse verbessert, gibt Schunk zu bedenken. „Noch nie gab es so viel Freiheit“, so der Director Public Relations der Unternehmensgruppe Vogel. Unsere Großeltern bekamen meist noch gesagt, was sie werden sollten. Der Sohn eines Schusters ist häufig ebenfalls Schuster geworden. Ob er das wollte oder sich dazu geeignet hat, wurde nicht gefragt. Nahezu jeder einst klassische „Männerberuf“ wurde für Frauen geöffnet. Überhaupt: Man darf sich ausprobieren. Allein das, so Dr. Schunk, sei ein großes Glück: „Man kann den Bachelor machen und dann entscheiden, als Zimmermann zu arbeiten.“ In einen Job einzusteigen, der glücklich macht, ist das eine. Im Job glücklich zu bleiben, das schwierigere andere. Das gelänge nach Ansicht von Schunk nur, wenn man stets versucht, den sich ändernden Verhältnissen gerecht zu werden. Und die Bedürfnisse von Gesellschaft und Wirtschaft wandeln sich ständig. Im Moment steht das Thema Künstliche Intelligenz (KI) hoch im Kurs. Innovationen machen den Menschen oft Angst. Sie rechnen speziell bei KI damit, ersetzt zu werden und damit ihren Job zu verlieren. Gunther Schunk bleibt zuversichtlich. Durch neue Technologien fielen zwar Jobs weg, so der Vater zweier Töchter. Gleichzeitig öffneten sich der Industrie neue Märkte: „Damit kommen neue Jobs.“ Vielleicht welche, die noch glücklicher machen als die alten. Mit wie viel Ratlosigkeit junge Menschen gegen Ende ihrer Schullaufbahn oft auf die Arbeitswelt blicken, damit ist Harald Ebert, Leiter der Würzburger Don Bosco-Berufsschule, bestens vertraut. In seiner Bildungseinrichtung werden Jugendliche dabei unterstützt, „das Ihre“ zu finden. „Einige Schülerinnen und Schüler haben vor Kurzem einen vierminütigen Film zum Thema ‘Was mir Hoffnung macht’ gedreht”, erzählt der Pädagoge. Sie berichteten ergreifend aus dem eigenen, keineswegs einfachen Leben: „Und wie sie ihren Weg mit uns in die berufliche Bildung gefunden haben.“ Diesen Film zu sehen, machte Ebert glücklich. Glücklich kann theoretisch jeder Beruf machen, der Taxifahrer kann genauso glücklich sein wie die Nachwuchswissenschaftlerin oder der Pädagoge. Harald Ebert weiß das aus eigener Erfahrung: „Ich habe zunächst den Beruf des Bäckers erlernt und mit dem Bäckermeister abgeschlossen.“ Oft arbeitete er in der Nacht von Freitag auf Samstag. Morgens stand dann die Backstube voller guter Backwaren: „Ich empfand es als unbeschreiblich schön, zu wissen, dass ich einen Beitrag für den guten Tagesbeginn in vielen Familien geleistet habe.” Als Pädagoge habe er heute das große Glück, einen Beruf auszuüben, der ihm viel Gestaltungsspielraum für Neues lässt. Prof. Dominikus Bönsch arbeitet in einem Beruf, der zumindest manchmal ein Übermaß an Belastung mit sich bringt: Der Mediziner leitet die Psychiatrie in Lohr. Grundsätzlich bereite ihm sein Beruf Freude. Dennoch sei er nicht immer einfach: „Ich muss jede Woche mehrere schwierige, zum Teil sehr unangenehme Gespräche führen, mit Patientinnen und Patienten oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Seit meinem fünften Studiensemester, als ich mit der Doktorarbeit begann, arbeite ich durchgehend 60 Stunden in der Woche.“ Prof. Dominikus Bönsch geht d’accord mit Gunther Schunk und Harald Ebert, dass ein Beruf dann glücklich mache, wenn man in ihm „das Seine“ gefunden hat. Eine sehr fähige Arztin oder ein sehr fähiger Bäcker, die mit Leidenschaft ihren Beruf leben, können Stressphasen gut durchstehen, weil sie wissen, dass sie das tun dürfen, wofür sie ein feines Händchen haben. „Mir selbst macht mein Beruf bis heute Freude, weil ich die Auseinandersetzung mit existenziellen Themen spannend finde“, so der Ärztliche Direktor. Als Psychiater wiederum habe er es mit Menschen zu tun, die durch die Arbeit oder die Arbeitsbedingungen krank wurden. Ein Teil der Therapie bestehe darin, die Patientinnen und Patienten zu motivieren, entweder ihre Arbeit am alten Arbeitsplatz neu zu gestalten oder einen beruflichen Neubeginn zu wagen. Vielen falle Letzteres schwer. Neuanfänge bedeuten ein Wagnis. Sie einzugehen, kann sich jedoch lohnen. Vielleicht findet man auf diese Weise endlich, was einen glücklich macht, eben das „Seine“! 

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