„Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart, der bedeutendste Mensch immer der, der dir gerade gegenübersteht, und das notwendigste Werk ist immer die Liebe“, so der deutsche Mystiker Meister Eckart. Damit geht Britta S.¹ d‘accord. Sie arbeitet seit 33 Jahren als Altenpflegerin, zunächst im Altenheim, seit 20 Jahren ist sie mobil für eine Sozialstation unterwegs und kümmert sich liebevoll um „ihre“ Schutzbefohlenen allen Widrigkeiten zum Trotz.
„In unserem Job müsste die Stunde 100 Minuten haben“, sagt die 52-jährige. „Immer mehr Organisatorisches, immer mehr Dokumentation und immer weniger fachkundiges Personal“, das verlange einem so viel ab, dass man nach getaner Arbeit, oft keine Kapazitäten mehr für private Unternehmungen habe.
Britta S. hat sich nach 13 Jahren Arbeit im Heim für ambulante Altenpflege entschieden, da sie sich hier für die Dauer des Pflegebesuchs ganz dem einen Patienten widmen kann, ohne Wenn und Aber und vor allem ohne Unterbrechungen vom Klingeln anderer Patienten oder von Zwischenrufen von Kollegen, die Fragen haben.
„Das ging nicht mehr für mich“. Den Anspruch, den sie an ihren Beruf hat, den konnte sie im Altenheim nicht mehr leben. „Oft hatte ich Angst, wenn ich unterbrochen wurde, beispielsweise beim Waschen, dass ich den Patienten vor lauter Hektik am Schluss vergesse!“
Auch bei den Sozialstationen sei nicht alles Zuckerschlecken und der Zeiger zwischen Ökonomie und Fürsorge schlage auch hier nicht immer in die richtige Richtung aus. Jedoch könne sie selbstständig arbeiten und im Rahmen der zeitlichen Vorgaben mit mehr Spielraum entscheiden, wie sie arbeite. Für eine Ganzkörperwäsche sei natürlich mehr Zeit veranschlagt als für eine Medikamentengabe.
„Dennoch hat man immer noch mit Menschen zu tun und wenn es einem Schützling mal nicht so gut geht, hat er halt mehr Redebedarf. Da schaue ich nicht auf die Uhr!“ Das werde natürlich von der Pflegedienstleitung angemahnt. Britta S. hat sich eine ausgeklügelte Orga angewöhnt aus Schleichwegen, die sie fährt, und gutem Zeitmanagement im Allgemeinen, dass sie zeitliche „Ausrutscher“, wie ihr Arbeitgeber sagen würde, schnell wieder aufholt.
Das Wichtigste sind ihr nämlich auch nach über 30 Jahren im Job ihre Patienten! In der Pflege sei es wie in der Liebe, sinniert die Altenpflegerin: „Man muss mit ganzem Herzen dabei sein, sich mit Respekt begegnen, stetig an der Beziehung arbeiten, viel kommunizieren und Nähe und Distanz müssen sich die Waage halten“.
Apropos Nähe und Distanz … ist das denn immer zu schaffen, die professionelle Distanz zu wahren, wenn man über zehn Jahre hinweg jemanden zuhause pflegt? „Nein, nicht immer“, gibt die erfahrene Pflegekraft zu. „Wenn ein Patient, den man zehn Jahre oder länger gepflegt hat, dann ins Heim muss oder gar stirbt, dann ist das so, wie wenn ein guter Freund geht“.
Die zu pflegenden Menschen hinterlassen Spuren – vor allem im Herzen. Das ist die Kehrseite der Medaille „Empathie“, die für die versierte Altenpflegerin mit dazu gehört. Jeden Tag pflegen, heißt jeden Tag auch Beziehungen pflegen. Pflege sei für sie wie Beziehungsarbeit!
¹Name von der Redaktion geändert