Das Chamäleon der Gynäkologie

Wenn unklare Unterbauchschmerzen einen Namen bekommen: Endometriose, das zweithäufigste Frauenleiden, bleibt oft lange unentdeckt

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Studien zur Diagnoseverzögerung bei Endometriose beschreiben ein mittleres Symptom-Diagnoseintervall von acht bis zwölf Jahren. Foto: ©depositphotos.com/@Shidlovski

Das, was Michèle Rauer im Rahmen einer Informationsveranstaltung der Frauenklinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) beschreibt, klingt nach einer Odyssee. Seit ihrer Pubertät litt die 23-Jährige an fast unerträglichen Regelschmerzen. Schmerzmittel schlugen nicht an und auch die Pille nützte nichts. Auch außerhalb der Regel war sie alles andere als beschwerdefrei. Oft lag sie weinend im Bett. Lange Zeit, so klagt die junge Frau, wurden ihre diffusen Unterleibsschmerzen von den Ärzten, die sie aufsuchte, als harmlos abgetan.

Die Wende bescherte Rauer eine Bauchspiegelung 2017 im Endometriose-Zentrum des UKW. Hier kam die Diagnose: Endometriose. Eine medikamentöse Therapie wurde initiiert, brachte aber nicht den gewünschten Erfolg. Im April 2019 entschied sie sich für eine Operation, die dann endlich Schmerzfreiheit brachte.

Michèle Rauer ist kein Einzelfall. Rund 40.000 Patientinnen erkranken pro Jahr in Deutschland neu an der derzeit zweithäufigsten Erkrankung bei Frauen, informiert das UKW. „Der meist lange Weg zur Diagnose hat seine Ursachen in den von Frau zu Frau unterschiedlichen Symptomen der Endometriose.

Wir sprechen deshalb auch vom „Chamäleon der Gynäkologie“, erklärt Professor Dr. Achim Wöckel, der Direktor der Klinik. Bei der gutartigen, chronischen Krankheit bilde sich Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutterhöhle, zum Beispiel im Scheidenbereich, im Bauchfell, in den Eierstöcken oder in der Darmwand. Zyklusabhängig komme es zu Gewebeblutungen im Bauchraum, was zu Entzündungen, Schmerzen, Verwachsungen oder Narbenbildungen führen könne.

Die Folgen für die Betroffenen: Starke Regel- und Unterbauchschmerzen. Entscheidend für die Diagnosestellung sei eine sorgfältige Anamnese, so Wöckel. Sind die Regelschmerzen so stark, dass Schmerzmittel eingenommen werden müssen? Sind Betroffene trotzdem in ihrem Alltag eingeschränkt? Treten Unterbauchschmerzen auch antizyklisch auf? Verursacht Geschlechtsverkehr Schmerzen? Gibt es Blutungsstörungen? Schmerzt das Urinieren oder der Stuhlgang? Ist Blut im Urin oder im Stuhl? Bleibt ein Kinderwunsch unerfüllt? Bei all der Symptomatik müssten, so der Gynäkologe, Krankheiten wie Blasenentzündung, Reizdarmsyndrom, Glutenintoleranz oder auch ein Tumor zunächst ausgeschlossen werden. Das dauere mitunter Jahre.

„Endometriose ist eine Krankheit, die noch nicht vollständig durchblickt ist. Vorteilhaft für die Patientinnen ist es aber, dass wir am UKW über ein zertifiziertes Endometriose- Zentrum verfügen“, erläutert Oberärztin und Leiterin des Zentrums, Dr. Anastasia Altides. „Die Patientinnen sind meist sehr jung, wenn sie mit den Beschwerden der Endometriose erstmals einen Arzt aufsuchen. Knapp zwei Drittel sind unter 30“, so die Medizinerin.

Michèle Rauer sagt: „Der Eingriff hat mein Leben verändert!“ Doch sie ist sich bewusst, ihre Krankheit ist östrogenabhängig und kann jederzeit wiederkommen. Ruhe kehre für an Endometriose Erkrankte meist erst in den Wechseljahren ein mit Nachlassen der körpereigenen Östrogenproduktion, so der Tenor der referierenden Frauenärzte.

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