„Tiere sind wichtige Akteure gesellschaftlichen Lebens“, sagt Dr. Katharina Ameli. Die promovierte Soziologin arbeitet als Koordinatorin im Arbeitsbereich Tierschutz und Tiergestützte Dienstleistungen der Justus-Liebig-Universität Gießen. „Mensch-Tier-Beziehungen sind vielfältig und ambivalent.“ In ihrem Online-Vortrag Mitte März, organisiert von der Umweltstation Kitzinger Land, stellt sie dar, dass diese von Haus- und Nutztieren bis hin zu Nahrungsmitteln und Opfergaben reichen. Außerdem würde über ihre Rollen und Projektionen interdisziplinär diskutiert. Die Spanne reicht von der Biologie bis hin zur Philosophie. Mensch-Tier-Beziehungen hätten sich, so die Wissenschaftlerin, im Laufe der Zeit verändert. Heute seien Tiere unter anderem Teil verschiedenster tiergestützter Dienstleistungen, darunter tiergestützte Psycho-, Ergo- oder Physiotherapie, aber auch tiergestützte Pädagogik, zum Beispiel in Kindergarten, Schule oder Jugendhilfe. Auch im Coaching in der Personalentwicklung, bei Familien oder Paaren kämen sie zum Einsatz. Und es gibt eine Zäsur: „Die Entstehung von Covid-19 wird eng mit der Mensch-Tier-Beziehung in Verbindung gesetzt“, erläutert Dr. Ameli1. Auf der einen Seite habe die Anzahl an Haustieren im Rahmen der angeordneten Lockdowns in Deutschland weiter zugenommen. Anknüpfend daran würden aber Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen im Jahr 2020 vermehrt von Problemen im Bereich des Tierschutzes berichten. Alles in allem sei gegenwärtiger Konsens, dass „eine enge Verbundenheit zwischen Mensch, Tier, Natur und Kultur“ gegenwärtig kaum noch angezweifelt werde2. Tiere seien Teil der von Professor Dr. Rainer Wiedenmann benannten „humananimalischen Sozialität“ und in Interaktionen handlungsfähig. Das bedeute, dass das historisch auftretende „Subjekt-Objekt-Dilemma“ zumindest in Teilen aufgelöst werden kann. Für die Wissenschaft gelte ihrer Meinung nach: Tiere müssen künftig in allen Ethik-Kodizes Berücksichtigung finden. Und es sei mehr Empathie erforderlich, etwa in der tiergestützten Therapie. „Stress-Signale werden oft erst sehr viel später erkannt“, mahnt die Wissenschaftlerin, die viele Jahre in einer Tierarztpraxis für Kleintiere und Pferde tätig war und aktuell als zertifizierte systemische Coachin tätig ist. „Nämlich erst dann, wenn sie eindeutig sind. Subtile Zeichen werden oft nicht wahrgenommen.“ Sie appelliert für mehr Beobachtung. Das sei ein äußerst hilfreiches Instrument für die Mensch-Tier-Beziehung. Der Grund: In der Praxis könnten die vielen verschiedenen Aspekte einer Situation oft gar nicht simultan erfasst werden. „Ich empfehle Videos anzufertigen und diese auszuwerten“, sagt sie. Nur so könnten die Bedürfnisse der Tiere im Einsatz besser berücksichtigt werden. Ihr Fazit: „Damit tiergestützte Begegnungen professionell durchgeführt werden können, ist eine offene und reflektierte Herangehensweise erforderlich.“3 Das bedeute, dass nicht nur das eigene Handeln hinterfragt, sondern innerhalb der Interaktionen flexibel agiert werden müsse.
Quelle: 1 https://www.tierethik.net/data/2024-01/TE_2024_1_AmeliKraemer.pdf, 2 https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5532-2/multispezies-ethnographie, 3 https://content.e-bookshelf.de/media/reading/L-8373768-6e162d46b1.pdf
www.coaching-ameli.de