Aus der Spur laufen …

Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Shadi Shararah über Wirbelgleiten

0

„Wirbelgleiten“ – das klingt irgendwie „elegant“ und eher nach Wintersport als nach einer ernstzunehmenden Krankheit. Doch der Schein trügt. Wirbelgleiten, in der Fachsprache Spondylolisthesis (SL), ist eine äußerst schmerzhafte Angelegenheit, die vom Patienten viel abverlangt. „Es handelt sich um eine Instabilität der Wirbelsäule“, erklärt Shadi Shararah, Chefarzt der Abteilung für Spezielle Wirbelsäulenchirurgie am Leopoldina Krankenhaus in Schweinfurt. Sie entstehe in einem oder mehreren Bewegungssegmenten. „Der Wirbelkörper bewegt sich nach vorne und das führt zu Rücken- und Beinschmerzen“, so der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Der Mediziner, der einst in Würzburg studiert hat, unterscheidet zwei Arten, die zum Ausscheren der Wirbel aus dem natürlichen Verlauf der Wirbelsäule führen: die erworbene und die angeborene Form. Erstere sei dem Verschleiß geschuldet und betreffe ältere Patienten. Zweitere jüngeren. „Prinzipiell können beide Formen, die angeborene und die degenerative, jeden treffen“, sagt der aus Jerusalem stammende Arzt. „Meistens tritt das Wirbelgleiten an den unteren Segmenten der Lendenwirbelsäule auf.“

Am häufigsten werde das Aus-der-Spur-laufen zwischen dem vierten und fünften Lendenwirbel diagnostiziert. Betroffene mit der angeborenen Form würden meistens unter Rückenschmerzen bei Belastung leiden. „Im weiteren Verlauf kommt es fast zu Dauerschmerzen“, so Shararah. Beinschmerzen kämen stark verzögert hinzu, jedoch nicht immer. Langes Sitzen oder Stehen sei auch bei den Jüngeren dann nicht mehr möglich. „Die älteren Patienten klagen über einen kombinierten Schmerz im Rücken und den Beinen. Die Symptome verschlechtern sich mit der Zeit“, so der Experte. „Langes Laufen geht dann irgendwann nicht mehr.“ Die Diagnostik ist bei beiden Gruppen gleich: Zunächst stehen Röntgenaufnahmen an. Die Wirbelsäule im Stehen unter Belastung einmal nach vorne, einmal nach hinten gebeugt. So sei der Grad der Instabilität meist augenscheinlich, sagt Shararah. Ergänzend werden MRT zur Beurteilung der Nerven respektive der Muskulatur und ein CT zur Einschätzung der knöchernen Struktur veranlasst. Zusätzlich stehe eine ausführliche orthopädische und neurologische Untersuchung an. Steht die Diagnose und sind noch keine neurologischen Ausfälle erkennbar, könne der Patient zunächst viel selbst für eine Besserung tun. Auf dem Programm stünden fortan Bewegung und Wärme: Rückentraining, Muskelaufbau, Dehnungsübungen, Fahrradfahren oder Schwimmen. Auch ein Reha-Aufenthalt sei denkbar.

Fruchten diese konservativen Maßnahmen alle nicht, müsse über eine Operation nachgedacht werden. „Der Patient muss das selbst entscheiden und sich fragen: ‚Bin ich mental bereit?‘“, betont Shararah, der diese rund einstündige OP im Schnitt dreimal täglich durchführt. Allerdings sollte nicht zu lange gezögert werden, da geschädigte Nervenwurzeln nicht wiederhergestellt werden können. Bei der OP werden die betroffenen Wirbel mit je zwei Schrauben fixiert, eine Dekompression des Spinalkanals durchgeführt, ein Bandscheibenersatz eingepflanzt und das Bandscheibenfach mit Eigenknochen aufgefüllt. „Ziel ist die Knochenbildung, also eine Knochenbrücke zwischen zwei Wirbelkörpern, und damit eine Verfestigung, die meist nach sechs Monaten bewerkstelligt ist.“ Diese Versteifung beeinträchtige die Patienten in der Regel nicht, so die Erfahrung des Facharztes. Doch mit der Operation allein sei es nicht getan. Nach einer dreimonatigen Schonphase mit leichter Mobilisierung seien die Patienten wieder belastbar. „Jetzt sollten sie nicht in alte Muster zurückfallen. Regelmäßige Bewegung und Sport gehören künftig zu ihrem Leben dazu.“

Share.