Attacken, die hilflos machen

Schmerzpatienten wünschen sich „sprechende Medizin“, die sich ihrer annimmt

0
Foto: ©depositphotos.com/ @ sSplajn

Foto: ©depositphotos.com/
@ sSplajn

Seit acht Jahren leidet Manon, eine Würzburgerin, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte, an chronischen Schmerzen. Damit fertig zu werden, sei alles andere als einfach, sagt sie. Erschwerend kommt laut der 52-Jährigen Unverständnis von ärztlicher Seite hinzu.

„Wir sind unliebsame Patienten“, bedauert sie. Was in erster Linie daran läge, dass Schmerzen unsichtbar seien. Dies verunsichere Ärzte im Umgang mit Kranken. Viele Mediziner würden gern etwas verordnen, das möglichst prompt anschlägt.

Das gelingt bei Schmerzpatienten in vielen Fällen nicht: „Wir spiegeln Ärzten ihre Hilflosigkeit.“ Manchmal kam es nach Manons Erfahrungen deswegen zu aggressiven Reaktionen, zu Schroffheit und Abweisung. Diese Behandlung wiederum sei fatal für Schmerzpatienten, da die ohnehin mit ihrer Situation überfordert seien.

Manon, die sich in einer Würzburger Selbsthilfegruppe engagiert, fand schließlich Hilfe in einer Schweinfurter Privatpraxis für neuroorthopädische Rehabilitation und Schmerztherapie am Bewegungsapparat. Auf Muskulatur spezialisierte Schmerztherapeuten fänden sich Manon zufolge hierzulande zu selten. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wünscht sie, dass sich Ärzten, Patienten, Selbsthilfegruppen und Therapeuten stärker vernetzen, um gemeinsam vielfältige Behandlungskonzepte auf den Weg zu bringen.

„Schulmediziner seien mit Schmerzkranken oft überfordert“, sagt Brigitte Bader. Seit 1993 leidet sie aufgrund von Rheuma unter chronischen Schmerzen: „Zum Glück allerdings nicht ununterbrochen.“ Antirheumatika und Akupunktur helfen ihr, außerdem versucht Bader, sich abzulenken – durch Alltagstätigkeiten und entspannende Sportarten wie Nordic Walking, Schwimmen und Radfahren.

Eine Hürde bei der Schmerztherapie, sagen Manon und Brigitte Bader, sei der mangelnde Wille mancher Ärzte, sich einzulassen und zu versuchen, den Schmerzpatienten in seiner gesamten Situation und Persönlichkeit zu verstehen.

Die beiden Schmerzkranken wünschen sich mehr Zeit für „sprechende Medizin“. Außerdem fänden sie es sinnvoll, Kurse anzubieten, in denen Patienten lernen, Schmerzen zumindest ein Stück weit selbst zu beeinflussen.

Reinhilde Höfer, Leiterin der Würzburger Selbsthilfegruppe „Migräne“, hat das in den letzten Jahren gelernt. Deswegen geht es ihr heute viel besser. Seit der Einschulung leidet die 57-Jährige unter Migräne: „Auf Bildern von Schulausflügen sehe ich heute noch genau, wann ich damals Migräne hatte.“

In den vergangenen fünf Jahrzehnten gab es viele Monate, an denen sie an 25 Tagen von Migräneattacken geplagt war. Seit knapp drei Jahren geht es Reinhilde Höfer besser. Der Kontakt zur Klinik für Spezielle Schmerztherapie im Schweinfurter Leopoldina Krankenhaus führte zum „Wendepunkt“ in ihrem Leben.

Höfer schwärmt von der einfühlsamen Chefärztin der Schmerzambulanz: „Sie nahm sich beim ersten Besuch eineinhalb Stunden Zeit für mich. So etwas hatte ich noch nie erlebt.“ Höfer hat heute gute Prophylaxemedikamente, sie kennt hilfreiche Entspannungsmethoden, ist dreimal in der Woche sportlich aktiv und engagiert sich in der Migräne-Selbsthilfegruppe.

„Erstmals ahne ich, wie es Menschen geht, die keine Schmerzen haben“, sagt die Frau, die nun viele Tage im Monat schmerzfrei ist. Jeder einzelne Tag sei ein Geschenk: „Ich genieße es unglaublich, morgens aufzuwachen und keine Schmerzen im Kopf zu spüren.“

Share.