Atem holen und durchschnaufen

Dr. Stefan Baron über wiederkehrende Atempausen im Nachtschlaf, die sogenannte obstruktive Schlafapnoe

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„Neben der obstruktiven gibt es auch die zentrale Schlafapnoe. Diese ist jedoch selten. Dabei handelt es sich um eine Atemregulationsstörung, die beispielsweise bei Herzinsuffizienz auftreten kann“, so der Schlafmediziner Dr. Stefan Baron. Foto: Susanna Khoury

„Neben der obstruktiven gibt es auch die zentrale
Schlafapnoe. Diese ist jedoch selten. Dabei handelt es sich
um eine Atemregulationsstörung, die beispielsweise bei
Herzinsuffizienz auftreten kann“, so der Schlafmediziner
Dr. Stefan Baron. Foto: Susanna Khoury

Zwei von 100 Frauen und vier von 100 Männern leiden an Atemstillständen während des Nachtschlafes, publiziert die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin.

Rund 800.000 Deutsche seien derzeit deswegen in Behandlung, so die Organisation, die Dunkelziffer unbehandelter Schlafapnoen sei um ein Vielfaches höher.

Die Schätzungen belaufen sich auf rund fünf Millionen Betroffene allein in Deutschland.

Rund 450 Patienten mit wiederkehrenden Atempausen im Nachtschlaf werden jährlich in der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg behandelt, erzählt Dr. Stefan Baron, Leiter des dortigen Schlaflabors.

Angeraten sei eine Therapie auf jeden Fall ab 15 Atempausen pro Stunde. „Keine Atempausen während des Schlafen zu haben ist normal, bei 30 Aussetzern pro Stunde spricht man von einer schweren Schlafapnoe“, so der Schlafmediziner.

Auffälligkeiten bei dieser Erkrankung seien lautes Schnarchen beim Schlafen, das von Pausen von mindestens zehn Sekunden unterbrochen wird.

Die damit verbundene Störung des erholsamen Schlafes führt zu Schläfrigkeit in monotonen Situationen bis hin zu Sekundenschlaf am Steuer mit Unfallgefahr.

Weiterhin können Symptome wie Bluthochdruck, Herzrasen oder Kopfschmerzen am Morgen auftreten, erläutert der Internist Dr. Baron die Zusammenhänge mit schlafbezogenen Atmungsstörungen.

Die häufigste Variante ist die sogenannte obstruktive Schlafapnoe, hier kommt es durch die Entspannung der ringförmigen Muskulatur um die oberen Atemwege im Schlaf, sodass der Rachen nicht mehr in der Lage ist, dem beim Einatmen entstehenden Unterdruck genügend Widerstand entgegenzusetzen.

Der obere Teil der Atemwege fällt zusammen und es kommt zu einer Behinderung (Obstruktion), die die Atempause auslöst.

Hauptursachen, so der Schlafmediziner Baron, seien meist starkes Übergewicht, angeborene Fehlstellungen des Unterkiefers (Zurückverlagerung) oder ein zu langer, durchhängender weicher Gaumen.

Auch könne die Einnahme von Schlafmitteln, sedierenden Medikamenten oder Alkoholkonsum Apnoen auslösen. Schlafapnoe gibt es in jedem Lebensalter, das Risiko steigt mit dem Alter.

Anders als im Erwachsenenalter kann sich die Schlafapnoe bei Kindern durch Hyperaktivität und Lernschwäche äußern.

Zusätzliche Ursache können hier vergrößerte Polypen oder Rachenmandeln sein, die dann operativ entfernt werden. Die Diagnose erfolge zunächst durch Selbst- oder Fremdbeobachtung (Partner) und durch die störende Tagesschläfrigkeit, dann durch eine körperliche Untersuchung beim Arzt.

„Bei Verdacht auf eine Apnoe bekommen die Patienten zunächst ein „kleines Schlaflabor“ mit nach Hause.

Das tragbare Messgerät zeichnet Parameter wie Sauerstoffsättigung, Luftfluss an der Nase, Atembewegung der Brust– und Bauchmuskulatur und Körperlage auf, mit denen Apnoen erkannt werden können“, erläutert Dr. Baron den Diagnoseweg.

Wenn das „kleine Schlaflabor“ eine Schlafapnoe wahrscheinlich macht, führt der Weg ins „große“ Schlaflabor, wo über ein bis zwei Tage hinweg weitere Messungen gemacht werden.

„Hier werden dann beispielsweise noch zusätzlich die Hirnströme aufgezeichnet, was die Beurteilung der Schlafqualität mit Traum- und Tiefschlaf ermöglicht“, berichtet der Schlaflaborleiter der Missionsärzlichen Klinik Dr. Baron.

Wird eine Schlafapnoe festgestellt, könne in vielen Fällen eine Schlafmaske Abhilfe schaffen.

Das sogenannte CPAP-Gerät („continuous positive airway pressure“- meint kontinuierlicher Atemwegsüberdruck) funktioniert so: Die angesaugte Luft aus dem Raum hält über eine Nasenmaske im Schlaf die Atemwege frei und verhindert so die gesundheitsschädlichen Atempausen.

Viele Apnoepatienten können durch die Maske erstmals wieder gut schlafen – im wahrsten Sinne des Wortes nachts durchschnaufen.

Der Effekt des wiedergewonnen erholsamen Schlafes: ein ausgeschlafener und gut gelaunter Mensch am nächsten Morgen.

Eine weitere Option neben der Schlafmaske sei unter bestimmten Voraussetzungen eine Unterkieferschiene, die jedoch anders als das CPAP-Gerät meist nicht vollständig von den Krankenkassen übernommen werde, so Baron.

In seltenen Fällen (ein Prozent aller Patienten) sei auch eine HNO-ärztliche OP des weichen Gaumens das
Mittel der Wahl, um Symptome zu lindern oder zu beseitigen.

Nicht entdeckte oder nicht behandelte Apnoen verschlechtern nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen wegen des Gerädertseins am Tag oder der Gefahr des Sekundenschlafs am Steuer, sondern verkürzten auch langfristig deren Leben: „Unbehandelte Apnoepatienten versterben in der Regel früher und dann meist an Herz Kreislauferkrankungen“, warnt der Schlafexperte vor dem Ignorieren einer Apnoe.

„Wenn der Körper über viele Jahre oder gar Jahrzehnte sich mit den Auswirkungen der Apnoe arrangieren muss (wie zum Beispiel schlechter Sauerstoffsättigung im Blut) quittiert er das irgendwann beispielsweise mit einem Herzinfarkt oder Schlaganfall!“

Das Interview mit Dr. Stefan Baron, Leiter des Schlaflabors in der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg, führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury

Nur schätzungsweise jeder 6. Apnoe-Patient in Deutschland ist in Behandlung: Mögliche Folgen einer unbehandelten Schlafapnoe sind: Herz-Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall, Depression.

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