Antibiotika sparsam & fokussiert einsetzen

Experten fordern: Mehr Grundlagenforschung für Medikamente

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Professor Dr. med. Ansgar Lohse Direktor der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf. Foto: privat

Professor Dr. med. Ansgar
Lohse Direktor der I. Medizinischen Klinik
und Poliklinik am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf. Foto: privat

In die Ferne reisen und mit einem multiresistenten Darmbakterium im Gepäck – sprich im Körper – wieder heimkommen?

Jeder fünfte Tourist, der ein Land mit mangelhaften Hygienestandards bereist, setzt sich inzwischen dieser Gefahr aus. Eine finnische Studie (erschienen in der Fachzeitschrift Clinical Infectious Diseases) belegt sogar, dass das Risiko der Ansiedelung multiresistenter Keime im Darm bis auf 80 Prozent anstieg, wenn Reisende unterwegs Antibiotika einnahmen.

„In vielen Fällen wissen die Infizierten nicht einmal, dass sie Träger sind“, sagt Professor Dr. med. Ansgar Lohse Direktor der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf.

Und was fast noch schlimmer ist: Die Keime können auch bis ins Krankenhaus gelangen, wo sie mitunter auf geschwächte Patienten treffen. „Was das bedeutet, zeigen die jüngsten Ereignisse am Universitätsklinikum Kiel“, sagt Lohse. Dort starben zwölf Patienten, die sich mit einem multiresistenten Keim infiziert hatten.

Das ist Grund genug für die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) auf die Zunahme multiresistenter Bakterienstämme in Deutschland aufmerksam zu machen. Ihre Forderung: Mehr Grundlagenforschung für Medikamente und den gewissenhaften und gezielten Einsatz vorhandener Präparate.

Die Antibiotika-Resistenz-Datenbank „ARS“ des Robert Koch-Instituts belegt eine deutliche Zunahme der Multiresistenzen in der Vergangenheit. Das Resultat ist auch der Tatsache geschuldet, dass es heutzutage häufigere und genauere Untersuchungsmethoden gibt. Viele von ihnen entstehen in der Tiermast, wenn Bauern großflächig Antibiotika einsetzen.

Experten sehen zudem den zu leichtfertigen Gebrauch in Tier- und Humanmedizin als entscheidende Ursache. „Oft genug kommt es vor, dass Ärzte selbst Patienten mit einer Erkältung ein Breitspektrum-Antibiotikum verschreiben“, kritisiert Lohse.

„Um Resistenzen zu vermeiden, müssen wir Antibiotika sparsam und zielgerichtet einsetzen.“ Die Ausbreitung von Resistenzen dürfe nicht billigend in Kauf genommen, sondern müsse aktiv bekämpft werden, so die DGVS.

„Zudem sollte die Entwicklung neuer Medikamente nicht zu kurz kommen“, erklärt Lohse. „Resistenz ist ein natürliches, evolutionäres Phänomen, mit dem Keime ihre Überlebenschancen vergrößern. Es wird also auch ein Zukunftsproblem bleiben, wenn wir nicht immer wieder neue Wirkstoffe entwickeln.“

Für Pharmakonzerne lohnt sich die Forschung nach neuen Antibiotika jedoch finanziell kaum, wenn das Endprodukt nur mit großer Zurückhaltung verschrieben werden soll.

„Wir müssen neue Finanzierungsstrategien finden, um neue Anreize für Industrie und Forschung zu setzen“, betont Lohse.

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