Am Ende zählt das „Jetzt“

Schwester Mone begleitet Menschen bei etwas ganz Normalem, dem Sterben

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„Durch die Bereitschaft, mich auf den sterbenden Menschen und seine Bedürfnisse einzulassen habe ich selbst auch etwas für mein Leben dazugewonnen: Die Gewissheit, dass ich das Richtige tue und meinen Beruf gut ausübe“, sagt Schwester Mone. Foto: Monika Stumpf ©Martina Schneider

„Alles im Leben dient einem sinnvollen Zweck, alles ist füreinander da und ergänzt sich. Auch ich bin für andere da und ergänze jemanden. Ich begleite Menschen auf ihrem letzten Lebensweg“ – so schlicht und einfach erklärt Monika Stumpf ihren Beruf, nein sie spricht von ihrer Berufung. Die 56-Jährige, die von allen nur Schwester Mone gerufen wird, ist gelernte Altenpflegerin. Sie hat in dieser Funktion viele Jahre gearbeitet und wechselte 2017 ins stationäre Hospiz der Stiftung Juliusspital im Würzburger Stadtteil Sanderau.

„Das ist das i-Tüpfelchen meiner Arbeit und ich erlebe jeden Tag als Beitrag zum Ganzen“, sagt Schwester Mone, und strahlt übers ganze Gesicht: „Das habe ich noch gebraucht.“ Was? Das Sterben? „Nein, es geht um das Leben, leben bis zum Schluss“, sagt sie, „am Ende zählt das Jetzt!“ Mone ist fest davon überzeugt: Das Leben ist lebenswert mit all seinen alltäglichen Dingen. „Die Gäste im Hospiz brauchen gemeinsame Erlebnisse“, sagt sie. Deshalb gibt es auch vielfältige Angebote: Kochen, Backen, Musizieren, gemeinsam Spiele spielen.

„Schon wenn sie nur Essen riechen, kommen Gäste aus ihren Zimmern. Es macht Freude, zuzusehen, wie sie den Geruch genießen, auch wenn sie selbst vielleicht gar nichts mehr essen können“, sagt Mone und erzählt von einem jungen Gast, der sich so sehr Pommes gewünscht hatte. „Also haben wir ihm Pommes gebracht, auch wenn er sie nicht mehr essen konnte, genussvoll riechen ging allemal.“ Oder an Weihnachten als der Duft von Gewürzschnitten und Plätzchen durchs Hospiz zog. „Das ist für Gäste, die nur wenig oder auch gar nichts mehr essen können, eine Wohltat“, weiß Mone.

Aus solchen Erfahrungen zieht wiederum sie ihre Kraft, mit Menschen zu gehen, die auf ihrem letzten Weg sind. Immer mit einem Lächeln im Gesicht, mit einem freundlichen Wort, mit einer netten Geste. Arbeiten im Hospiz, das ist nicht nur Pflege für den Körper, sondern viel mehr Pflege für die Seele. Immer mit dem Hintergrund, die Bedürfnisse des Gastes zu respektieren, ihn selbstbestimmt leben zu lassen bis zum Schluss.

„Ich gehe auf die Menschen zu wie ich es mir wünschen würde an meinem Ende, ich pflege sie genauso wie ich es gerne hätte, wenn ich sterbe, und ich respektiere den Willen des Gastes, genauso wie ich es auch für mich möchte, wenn ich einmal gehe“, betont Schwester Mone. Oft setzt sie sich ans Bett, ist einfach nur da. „Ich komme mir dann vor wie eine Mutter, die am Bett ihres Kindes sitzt, es sind keine Worte nötig, ein Händedruck genügt.“ Das gibt Trost und dem Gast das Gefühl, nicht alleine zu sein, und oft auch den Mut loszulassen. „Nahezu alle Verstorbenen haben einen entspannten Gesichtsausdruck, manchmal erkennt man sogar ein Lächeln“, erzählt Mone.

Nach dem Tod des Gastes öffnet sie – als persönliches Ritual – stets ein Fenster, denn sie sagt: „die Seele soll nicht im Zimmer eingesperrt bleiben.“ Doch wie geht sie mit dem Tod um, der nahezu täglich im Hospiz stattfindet? „Das Sterben gehört zum Leben, ich lasse meine Trauer zu, da laufen auch schon mal Tränen“, sagt Mone und wenn sie das Hospiz verlässt, kann sie meist abschließen und in ihr eigenes Leben gehen. „Ich habe keine Angst vor dem Sterben“, sagt sie, bedauert aber, dass in der Gesellschaft das Thema Tod so oft ausgegrenzt wird. „Man sollte offener übers Sterben reden, es ist etwas Normales nichts Außergewöhnliches – Sterben gehört zum Leben dazu.“

Internationales Jahr der Pflegekräfte
Die englische Krankenschwester Florence Nightingale wurde am 12. Mai 1820 in Florenz geboren. Zum 200. Geburtstag der Begründerin der westlichen Krankenpflege ruft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Jahr 2020 zum Internationalen Jahr der Pflegekräfte und Hebammen aus. Man wolle, so die WHO, die Herausforderungen, vor denen diese beiden Berufsgruppen jeden Tag stehen, stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Nightingale als einflussreiche Reformerin des Sanitätswesens und der Gesundheitsfürsorge ihrer Zeit vertrat die Ansicht, dass es neben dem ärztlichen Wissen ein eigenständiges pflegerisches Wissen geben sollte, und publizierte dies in ihren Schriften zur Krankenpflege. Ihre Aufzeichnungen gelten als Gründungsschriften der Pflegetheorie. Vor dem Hintergrund des Pflegenotstands in Deutschland (in Kliniken fehlten im Dezember 2019 rund 80.000 Pflegekräfte), werden auch wir in der Oktoberausgabe der Lebenslinie das Augenmerk erneut auf diesen so wichtigen Teil unseres Gesundheitswesen richten – mit einem großen Spezial zum Thema „Pflege“. Susanna Khoury

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