Zehenspitzengefühl

Fuß-Chirurg, Dr. Stephan Forster über die Emmert-Plastik als Ultima Ratio bei eingewachsenen Zehennägeln

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©Schmelz Fotodesign

„Der Schuh ist eine Fußverkrümmungsmaschine“, wusste schon der deutsche Naturheilkundler und katholische Theologe Sebastian Kneipp. Im Falle eines eingewachsenen Zehennagels, in der Fachsprache Unguis Incarnatus genannt, kann der Fuß-Chirurg und Oberarzt am Fachklinikum an der Mainschleife in Volkach, Dr. Stephan Forster, diese Aussage unterschreiben. ­„Falsches, etwa zu enges Schuhwerk ist ein Hauptverursacher eingewachsener Zehennägel“, so der Facharzt für Orthopädie. „Andere Trigger könnten vermehrte Schweißbildung am Fuß, Mineralstoffmangel, genetische Veranlagung, Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) und Psoriasis (Schuppenflechte) oder schlichtweg das fehlerhafte Schneiden der Nägel sein“, betont Dr. Forster. Um das Einwachsen des Nagels in die Haut, die ihn ­seitlich begrenzt, zu verhindern, müssten Zehennägel anders als Fingernägel gerade, nicht rund geschnitten werden, und nicht zu kurz. Die Nagelecken sollten frei auf dem seitlichen Hautrand liegen so der zertifizierte Wundexperte. „Einwachsen können prinzipiell alle Nägel, vornehmlich betroffen ist jedoch der Nagel des großen Zehs“. Symptome eines Unguis Incarnatus, seitliches Einkerben und Einwachsen der Nagelplatte in Hautbereich, seien Schmerzen beim Auftreten durch Entzündungsreaktionen mit Rötung, Überwärmung und Hautwucherungen, sprich wildem Fleisch. Oftmals komme es auch zu Eiterbildung. „Gehen ist des Menschen beste Medizin, indem man der Gesundheit hinterher und der Krankheit davonläuft“, so der griechische Arzt und Vater der modernen Medizin, Hippokrates. Gut gesprochen! Was aber, wenn jeder Schritt zur Qual wird und schmerzfreies Gehen aufgrund eines eingewachsenen Zehennagels nicht mehr möglich ist? In einem frühen Stadium könne die Podologin oder der Podologe mit Tapes, Draht oder Schienen für Abhilfe sorgen, meint Stephan Forster. Wenn diese „Erste-Hilfe-Maßnahmen“ versagten, ist die Begutachtung durch die Hausärztin oder den Hausarzt unumgänglich. Wenn der Unguis Incarnatus schon zu weit fortgeschritten ist, ist diese meist mit einer Überweisung in die Fuß-Chirurgie verbunden. Schwellung, Rötung, bakterielle Infektion und Schmerzen bei jedem Schritt, das ruft den Facharzt  für Chirurgie, Dr. Forster auf den Plan. Der Jahrzehnte als Notarzt tätige Mediziner schwört auf die sogenannte Emmert-Plastik als Ultima Ratio bei Unguis Incarnatus. Bei dieser chirurgischen Intervention, meist unter Lokalanästhesie, werde vom „Übeltäter“, dem eingewachsenen Nagel, von der Nagelplatte bis in die Matrix, ein ganz feiner Rand und umliegendes Gewebe entfernt. „Als Operateur bin ich hier sehr vorsichtig. Ich entferne maximal 1 bis 1,5 Millimeter Randnagel und Umgebung“. Fingerspitzengefühl, respektive Zehenspitzengefühl, sei hier entscheidend, sodass zukünftiges Einwachsen in das Weichteilgewebe verhindert wird. „Wenn es sich nur um einen Nagel handelt, dauert die ambulante OP rund 15 Minuten!“ Seien mehrere Zehen betroffen, entsprechend länger. Handle es sich um ein Kind oder eine Patientin oder einen Patienten mit sehr viel Angst, könne auch eine Kurznarkose gefahren werden. Auch hier sei „Zehenspitzengefühl“ für die individuellen Befindlichkeiten gefragt. Dr. Forster behandelt immer zuerst die Patientin oder den Patienten und dann die Krankheit. Vernäht wird bei ihm mit zwei Fäden rechts und links, die er nach einem Tag wieder entferne. Auch das sei eher unüblich, habe sich aufgrund seiner langjährigen Erfahrung aber bewährt. Zudem achtet der Fuß-Chirurg auf Schmerzfreiheit während der OP und in den Tagen danach. Fünf Tage postoperativ seien Schmerzmittel erforderlich. Danach in der Regel nicht mehr. In dieser Zeit müsse auch weites Schuhwerk oder ein Verbandsschuh (Vorfußentlastungsschuh) getragen werden. Er sehe seine Patientinnen oder Patienten einen Tag nach der OP und nach circa drei Wochen zur Verlaufskontrolle wieder. Verbandswechsel könnten bei der Hausärztin oder beim Hausarzt gemacht werden. Wenn das nicht möglich sei, auch bei ihm. Vier bis fünf Tage nach der Emmert-Plastik-OP könne die Patientin oder der Patient wieder schmerzfrei mit dem Fuß auftreten. Damit der Nagel nicht wieder einwächst, seien neben guter Fußpflege und richtigem Schneiden der Zehennägel von Patientinnen- oder Patientenseite, vonseiten der Operateurin oder des Operateurs Millimeterarbeit gefragt: „Einschneidend im wahrsten Sinne des Wortes ist hier, dass im Bereich der Matrix Restnagelstücke komplett mitentfernt werden, sodass es nicht erneut zu einem Einwachsen kommt!“ Dafür müsse sehr nah am Knochen gearbeitet werden, erklärt Dr. Forster. Mit Zehenspitzengefühl eben!

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