Was, wenn bei uns Krieg wäre?

Thomas Witzel, Regionalleiter der Johanniter Würzburg, über den Bevölkerungsschutz der Zukunft

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„Als ein Land, das die wichtigste Drehscheibe der Nato ist, müssten wir im Kriegsfall mit Angriffen auf kritische Infrastruktur und Militärtransporte rechnen“, sagt Ralph Tiesler, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe  (BBK) im Interview mit der Zeit. Verteidigung ist eine Gesamtaufgabe, hier ist nicht nur die Bundeswehr gefragt, sondern auch die zivile Seite, hier allen voran der Bevölkerungsschutz. Auch, wenn wir alle hoffen, dass das Worst-Case-Szenario in Deutschland nie eintrifft, gewappnet dafür sollten wir sein. Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury hat sich dazu mit Thomas Witzel, unter anderem zuständig für den Bevölkerungsschutz bei den Würzburger Johannitern, unterhalten.

Lebenslinie (LL):  Im Rahmenkonzept Medizinische Task Force des BBK sind auch die Johanniter aufgeführt. Wie stellt sich die Abteilung Bevölkerungsschutz der Würzburger Johanniter auf so ein Ereignis ein?

Thomas Witzel (TW): „Die Johanniter in Würzburg sind als Teil des Bevölkerungsschutzes von Stadt und Landkreis Würzburg bereits heute mit verschiedenen Einheiten aktiv eingebunden. Aktuell erwarten wir zudem die Auslieferung eines Mannschaftstransportwagens ‚Dekon Führung‘ sowie eines Gerätewagens ‚Dekon Erstversorgung‘, die uns vom Bund zur Verfügung gestellt werden. Mit diesen Fahrzeugen stellen wir zukünftig einen Teil der Dekontaminationseinheit der Medizinischen Task Force (MTF). Parallel dazu engagieren wir uns mit unseren selbst finanzierten Einheiten in der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr und im Katastrophen- und Zivilschutz.“

LL: Wie viele Mitarbeitende stehen hier im Ernstfall zu Verfügung und aus welchen Berufsgruppen setzen sie sich zusammen? 

TW: „Im Regionalverband Unterfranken, zu dem Würzburg gehört, sind rund 1.100 Mitarbeitende beschäftigt – darunter Rettungsdienstmitarbeitende, Pflegekräfte, Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und -pädagogen sowie Mitarbeitende im Fahrdienst. Ergänzt wird unser Team durch etwa 150 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die im Bevölkerungsschutz eine tragende Rolle spielen. Sie sind in Schnell-Einsatz-Gruppen (SEGs), im Sanitätsdienst, in der Technik oder im Bereich Information und Kommunikation aktiv.“

LL: Für welchen Bereich wären die Johanniter im Ernstfall zuständig?

TW: „Unsere Einsatzschwerpunkte im Krisenfall liegen unter anderem in der medizinischen Erstversorgung, im Transport von Verletzten, in der Dekontamination sowie in der Lageaufklärung durch unsere Drohneneinheit. Wir stellen in Stadt und Landkreis Würzburg unter anderen zwei SEG Transport, eine SEG Behandlung sowie eine SEG Information und Kommunikation. Diese Einheiten sind modular einsetzbar – je nach Lagebild und Bedarf.“

LL: Wie wird so ein Szenario trainiert? 

TW: „Unsere Einsatzkräfte nehmen regelmäßig an Übungen teil – sowohl intern als auch im Rahmen regionaler und überregionaler Katastrophenschutzübungen. Dabei werden unterschiedliche Szenarien trainiert, darunter auch Lagen mit chemischen, biologischen oder radiologischen Gefahren (ABC-Lagen). Die Zusammenarbeit mit regionalen Kliniken, anderen Rettungsdiensten und Behörden ist fester Bestandteil dieser Übungen. Zudem verfügen wir über mobiles Material für den Aufbau von Behandlungs- und Sichtungsplätzen in Zelten.“

LL: Wer übernimmt die Gesamtkoordination für Würzburg im Falle eines solchen Großschadensereignisses?

TW: „Je nach Art und Ausmaß des Ereignisses liegt die Gesamtkoordination bei der jeweiligen Kreisverwaltungsbehörden, die sich im Einsatzfall vorausbenannter örtlicher Einsatz- und Sanitätseinsatzleitungen bedient, bestehend aus leitendem Notarzt und organisatorischem Leiter Retttungsdienst.“

LL: Wie würde die Bevölkerung im Ernstfall informiert, etwa auch die ältere ohne Smartphones?

TW: „Neben digitalen Warnsystemen wie Nina, Katwarn oder Cell Broadcast setzt man auch auf klassische Wege der Bevölkerungsinformation. Dazu gehören Lautsprecherdurchsagen, Aushänge an zentralen Stellen, Radiodurchsagen sowie die Information über Pflegeeinrichtungen und soziale Dienste. Unsere SEG Information und Kommunikation kann dabei auch unterstützend tätig werden, um Informationen gezielt zu verteilen.“

LL: Immer wieder steht zu lesen, die Bevölkerung soll sich eine Notreserve aus Lebensmitteln und anderen Utensilien, etwa auch Bargeld, zuhause anlegen. Ist das sinnvoll? Wenn ja, was sollte diese Notreserve beinhalten?

TW: „Ja, das ist absolut sinnvoll. Im Krisenfall kann es zu kurzfristigen Versorgungsengpässen kommen etwa durch Stromausfall, unterbrochene Lieferketten oder eingeschränkte Mobilität. Empfohlen wird eine Vorratshaltung für etwa zehn Tage. Dazu gehören: Trinkwasser (mindestens zwei Liter pro υ υ­Person und Tag), haltbare Lebensmittel, Hygieneartikel, Medikamente, Batterien, Taschenlampe, Kurbelradio, wichtige Dokumente, Bargeld und gegebenfalls ein Gaskocher oder andere alternative Kochmöglichkeiten. Wir Johanniter bieten hierfür ein kostenloses Online-Seminar „Sicherheit, Vorsorge und Erste Hilfe in außerordentlichen Notlagen“ und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat hierfür einen sehr guten Ratgeber veröffentlicht.“

LL: Gut 500 Milliarden Euro will der Bund in den Ausbau der Infrastruktur stecken. Davon soll auch eine große Summe in den Zivilschutz fließen. Wo müsste etwa bei den Johannitern in Würzburg noch dringend beim Bevölkerungsschutz nachgerüstet werden? 

TW: „Wir Johanniter investieren derzeit bayernweit in die Härtung unserer Strukturen im Krisenfall. Um in Krisen bestmöglich helfen zu können, bedeutet das vor allen Dingen in die Resilienz unseres haupt- und ehrenamtlichen Personals zu investieren. Im Bereich unserer Ehrenamtlichen muss es nun endlich zur Helfergleichstellung kommen. In der Freizeit ist die Masse an Aus- und Fortbildungen kaum mehr zu bewältigen.“ sky

Fotos: ©Susanna Khoury, ©Regina Rodegra (Die Aufnahmen entstanden bei einer Übung für ein Großschadensereignis. Es handelt sich nicht um wirkliche Verletzte.), ©depositphotos.com: @Veneratio,
@amudsen

 

Das Interview mit Thomas Witzel, zuständig für den Bevölkerungsschutz bei den Johannitern in Würzburg, führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury.

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