
©Marcus Krappitz
Ganz gut geht es ihm. Er will nicht klagen. Dass es ihm in seinem Alter so gut gehen würde, hätte er nie für möglich gehalten, sagt Franz Matyssik. Überhaupt: „Nie hätte ich gedacht, dass ich so alt werde.“ 105 Jahre zählt der gelernte Bauingenieur. 1920 wurde er geboren. Dunkle Jahre habe er erlebt. Und er habe große Angst, dass neuerlich dunkle Jahre kämen. Die Weltlage, gibt er zu, belaste ihn gerade: „Wir leben in gefährlichen Zeiten.“ Als Franz Matyssik groß wurde, war Vieles völlig anders. Es gab noch keine Informationsflut. Nicht einmal ein Radio habe seine Familie besessen, erzählt der Senior aus einem Wohnstift des Würzburger Bürgerspitals. Der gebürtige Coburger erinnert sich an Wahlen in der Weimarer Republik: „Die Kinder wurden auf die Straße geschickt, um die Wahlergebnisse in Erfahrung zu bringen.“ 1941 musste Matyssik an die Front. Der heutige Senior überlebte. Er war zunächst in amerikanischer, dann in englischer Gefangenschaft. Er glaubt, dass es bald wieder Krieg geben werde. Dass er noch einmal so unfriedliche Zeiten erleben würde, auch das hätte Matyssik nicht gedacht. Auf die Frage, warum er wohl so alt geworden ist, zuckt er die Schultern: „Ich habe ganz normal gelebt.“ Irmtraut Katharina H. ist fröhlich. Energisch. Optimistisch. Ihre Stimme hört sich jung an. Dabei ist auch sie schon 101. „Ich bin 1923 geboren“, erzählt die Seniorin, die ihren Nachnamen nicht verraten möchte: „Ich habe immer zurückgezogen gelebt.“ Zurückgezogen. Und glücklich. Glücklich zu sein, das ist für sie das Geheimnis eines langen Lebens. Auch Irmtraut Katharina H. erlebte als Kind schwere Zeiten. Allerdings kann sie sich an nichts Schreckliches erinnern: „Das lag daran, dass ich in einem kleinen Kurort aufwuchs.“ Ihre Kindheit sei rundum glücklich gewesen. Sie liebte ihre Eltern. Und fühlte sich von ihnen geliebt. Und sie habe eine wunderbare Großmutter gehabt. Auch in der Schule habe es ihr gefallen. Diese glückliche Kindheit, ist sie überzeugt, habe das Fundament gelegt, das sie befähigte, später mit den Widrigkeiten des Lebens klarzukommen. Die dynamische Seniorin, die noch alleine in Main-Spessart lebt, schaffte es außerdem, sich ihren beruflichen Traum zu erfüllen: „Ich war Allgemeinärztin.“ Auch ihr Glück im Beruf, meint sie im Rückblick, habe womöglich dazu beigetragen, dass sie heute noch lebt. Früher habe es auch noch richtig Spaß gemacht, Ärztin zu sein. Da habe es keine überbordende Bürokratie gegeben. Keinen permanenten Zeitdruck. Irmtraut Katharina H. bedauert, wie sich ihr Traumberuf verändert hat. Wichtig findet sie es, dass jede und jeder nach seiner Vorliebe lebe. Es sei auch nicht gut, sich zu vermeintlich Gesundem zu zwingen. Sie selbst gönnt sich jeden Tag zum Abendbrot ein Bier: „Manchmal trinke ich auch Wein.“ Außerdem liebt sie es, fernzusehen. Lesen kann sie nicht mehr: „Auf einem Auge bin ich blind, auf dem andern halbblind, ich rechne damit, dass ich auch damit bald nichts mehr sehen werde.“ Das sagt Irmtraut Katharina H. ohne eine Spur von Verbitterung. Sie werde auch damit leben lernen. Ist sie sich sicher. Ein bewegtes Leben hat Ilse Schranner hinter sich. „Ich bin in Berlin geboren und kam dann, durch den Krieg, nach Danzig, Essen und Bochum“, erzählt die Seniorin aus dem Würzburger Wohnstift St. Paul, die nächstes Jahr ihren 100. Geburtstag feiern kann. Dass sie einmal so alt werden würde, hätte sie niemals gedacht. Schranner ist sehr gläubig. Mit acht Jahren schon begeisterte sie sich für die Bibel: „Ich habe mir immer gewünscht, in den Himmel zu kommen.“ Ilse Schranner stammt aus einem kultivierten Elternhaus. Sie studierte auf Volksschullehramt und arbeitete als Lehrerin für geistig behinderte Kinder. Bis zur Heirat 1954, durch die sie nach Würzburg kam, war sie berufstätig. Danach wollte sie für ihre Familie da sein. Ihr großes Glück seien ihre vier Kinder gewesen: „Ich selbst bin Einzelkind.“ Heute hat sie acht Enkel und sieben Urenkel, insgesamt ist die Familie 30-köpfig. Die Bibel blieb Ilse Schranners liebstes Buch. Das familiäre Glück, ihr Glaube und mäßiges Essen bezeichnet die Seniorin als ihre Geheimnisse für ein langes Lebens.