Es gibt keine Ausreden mehr

Physiotherapeutin Renée Sielemann über ein Trainingsprogramm, das mehr leistet als körperliche Fitness

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Es beginnt mit einem kleinen Luxus: ausschlafen. Für Renée Sielemann startete der erste Tag des Programms „RV-Fit“ am späten Vormittag – Zeit für Ruhe, bevor es sportlich wird. Fünf Tage lang war die Physiotherapeutin nicht in ihrer eigenen Praxis in Oberdürrbach, sondern im für diese Maßnahme zugelassenen Impuls Reha- und Gesundheitszentrum in Würzburg-Heidingsfeld. Nicht als Behandlerin, sondern als Teilnehmerin. Im Frühjahr entschloss sie sich, an RV-Fit teilzunehmen. Das ist ein von Ärztinnen und Ärzten entwickeltes, kostenfreies Präventionsprogramm der Deutschen Rentenversicherung für Berufstätige, das Bewegung, Ernährung und Stressbewältigung im Blick hat. Die einzige Voraussetzung für eine Teilnahme: Man muss seit mindestens sechs Monaten berufstätig sein und erste gesundheitliche Einschränkungen spüren. Bezahlt wird alles von der Deutschen Rentenversicherung, beantragen kann man die Teilnahme online in wenigen Minuten – ganz ohne Arztbesuch. „Am ersten Tag gibt es ein ärztliches Aufnahmegespräch, Zielvereinbarungen und den persönlichen Trainingsplan“, erzählt Renée Sielemann. „Es war mir wichtig, ein genaues Bild von den eigenen ‚Zipperlein‘ zu erhalten, die eigenen Ziele zu definieren und an ihnen zu arbeiten“, erinnert sie sich. „Für mich als Physiotherapeutin war es aber auch wertvoll, neue Impulse von außen zu erhalten.“ In festen Gruppen wechseln sich medizinische Trainingstherapie, Entspannungseinheiten, Arbeitsplatzberatung und Ernährungsvorträge ab – dazu gab es „aktives Handwerkszeug“. Denn Wissen in der Theorie ist das eine, Anwendung in der Praxis das andere. Die Mischung aus praktischen Übungen und Aha-Momenten gefällt ihr. Ernährung? „Vor allem das Thema versteckter Zucker hat mich überrascht.“ Stress? „Mein Handy ist mein größter Stressor – ich arbeite daran, klare Grenzen zu setzen.“ Bewegung? „Das gezielte Schulter- und Rückentraining hat mir persönlich sehr gut geholfen.“ Überhaupt sei es die Philosophie der „kleinen Schritte“ gewesen, die sie begeistert habe. Diese könnten wesentlich leichter umgesetzt werden als große Veränderungen, die man sich zuweilen vornehme. Nach der intensiven Startwoche, die ambulant bei Impuls Reha stattfindet, folgt die Umsetzungsphase: zwölf bis 24 Trainingseinheiten, wohnortnah und flexibel vor oder nach der Arbeit. Die dritte Phase, ein halbtägiges Auffrischungstreffen nach sechs Monaten, soll die Motivation sichern und beim Bilanzieren helfen. Als Sportlerin und Therapeutin zieht Renée Sielemann ein klares Fazit: „Ich würde es jedem empfehlen – egal, ob sportlich oder nicht. Prävention ist entscheidend, um Belastungen, Schmerzen und Stress langfristig vorzubeugen.“ Matthias Graeber, kaufmännischer Geschäftsführer des Impuls Reha- und Gesundheitszentrums, hat das Programm 2020 ins Haus geholt. „Das war ein Paradigmenwechsel: Die Rentenversicherung investiert in Prävention statt erst in Reha.“ Seitdem haben rund 1.500 Menschen in Würzburg teilgenommen – quer durch alle Berufsgruppen, vom Handwerker bis zur Büroangestellten. Eine echte Erfolgsgeschichte. Warum? Matthias Graeber: „Man wird angeleitet, begleitet und motiviert. Das unterscheidet das Programm von Einzelmaßnahmen.“ Gut zu wissen: Damit auch während der selbstständigen Trainingsphase der gleiche Standard wie im Reha-Zentrum gewährleistet ist, hat Graeber den stetig wachsenden „Qualitätszirkel Mainfranken“ – einen Zusammenschluss von derzeit zehn zertifizierten Reha-Einrichtungen und physiotherapeutischen Praxen – ins Leben gerufen. „Die Anforderungen sind hoch – es geht nicht um Fitnessstudio-Feeling, sondern um medizinisch-therapeutische Qualität“, betont er. Doch wie überhaupt beginnen? Der Antrag ist denkbar einfach, die Bewilligungspraxis unkompliziert. Während der Startphase ist man offiziell freigestellt, erhält volles Gehalt und Fahrtkostenzuschuss. „Man muss es nur tun – es gibt keine Ausreden mehr“, sagt Graeber. Das Feedback der bisherigen Teilnehmenden zeigt: Viele integrieren Bewegung und gesündere Ernährung in ihren Alltag. Bedarf gibt es vor allem beim Stressmanagement. Impuls Reha bleibt an diesen Themen dran, wird sie weiterhin empirisch untersuchen und einzelne Bausteine des Programms gemeinsam mit der Deutschen Rentenversicherung weiterentwickeln. Für Renée Sielemann ist der größte Gewinn, dass selbst kleine, aber doch konkrete Veränderungen wirken – ob beim Schulter- und Rückentraining, beim Essen oder beim bewussten Pausieren. „Es gibt Tage, da klappt es besser, und Tage, da ist es schwieriger. Aber wenn man spürt, wie gut es tut, bleibt man dran.“ Und für Matthias Graeber liegt auf der Hand: „Wer teilnimmt, investiert Zeit in die eigene Gesundheit – und das zahlt sich aus, für jeden Einzelnen und für unsere Arbeitswelt.“

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