Das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) hat bewiesen, dass Gewebespende trotz Corona-Pandemie zum Erfolg führen kann. Zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) konnte das Universitätsklinikum die 100. Gewebespende in diesem Jahr realisieren. Damit ist das UKW derzeit das stärkste Krankenhaus in der Gewebespende in 2021 und trägt maßgeblich zur sicheren und zeitnahen Patientenversorgung mit Gewebe bei. In der dortigen Lions Hornhautbank Würzburg konnten seit Beginn in 2013 inzwischen mehr als 1.500 Augenhornhautspenden bearbeitet werden. Über 1.000 Patienten in ganz Deutschland erhielten aus Würzburg bereits ein Hornhauttransplantat und dadurch die Chance auf einen Neuanfang.
Seit mehr als zehn Jahren arbeitet das UKW mit der DGFG in der altruistischen Gewebespende zusammen. Zum Großteil handelte es sich dabei um Augenhornhautspenden. Diese können noch bis zu 72 Stunden nach Todeseintritt durchgeführt werden. Seit Juni 2019 ist Marina Kretzschmar als Koordinatorin für die DGFG in der Gewebespende am UKW im Einsatz. Sie prüft anhand der Verstorbenenmeldungen, ob jemand für eine Gewebespende in Frage kommt. Ist das der Fall, kontaktiert sie die Angehörigen. In diesem Jahr führte Marina Kretzschmar schon 220 Aufklärungsgespräche. Kommt es dabei zu einer Zustimmung, führt sie die Gewebeentnahme durch. Viele Menschen stehen der Gewebespende offen gegenüber: Fast jeder Zweite stimmte in diesem Jahr am UKW einer Gewebespende zu. Die Zustimmungsquote liegt derzeit bei 46,4 Prozent. „Ich freue mich, mit der Spende am Ende jemandem helfen zu können, sei es den bedürftigen Patienten oder den Angehörigen in der Bewältigung ihrer Trauer. Viele finden in der Gewebespende Trost“, erzählt Marina Kretzschmar.
Ärztlicher Direktor lobt Klinikpersonal und DGFG-Koordinatorin für die gute Zusammenarbeit
„Das hohe Aufkommen von Gewebespenden am Uniklinikum Würzburg freut uns in erster Linie für die vielen Menschen, denen wir mit der Weitergabe dieser ‚Geschenke der Mitmenschlichkeit‘ helfen konnten. Dabei sind wir natürlich auch etwas stolz, dass die Abläufe rund um die Spende bei uns so gut funktionieren. Das liegt zu großen Teilen an der hervorragenden Zusammenarbeit unserer Beschäftigten mit der DGFG-Koordinatorin Marina Kretzschmar. Zum einen sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Thema Gewebespende bestens sensibilisiert. Zum anderen haben wir in Frau Kretzschmar eine Partnerin, die in der Lage ist, mit den Angehörigen von Verstorbenen gleichsam empathische, wie objektiv informierende Gespräche zu führen. Dass wir gerade auch in den Corona-Monaten die Gewebespende-Aktivitäten am UKW hochhalten konnten, ist nicht zuletzt auf unser erfolgreiches Pandemie-Management zurückzuführen. Dieses ermöglichte es uns, in großer Zahl auch nichtinfizierte Patientinnen und Patienten zu versorgen, unter denen sich dann naturgemäß weiterhin Spenderinnen und Spender fanden“, sagt Prof. Dr. Jens Maschmann, Ärztlicher Direktor des UKW.
Über 1.000 Patienten mit Hornhauttransplantaten aus der Lions Hornhautbank Würzburg versorgt
Anfang 2013 konnten die ersten Augenhornhautspenden in der Lions Hornhautbank des Universitätsklinikums Würzburg aufbereitet werden. Die Hornhautbank ist Mitglied im bundesweiten Netzwerk der DGFG, das inzwischen 13 Gewebebanken, darunter zehn Hornhautbanken umfasst. „Meine Kollegin Ilona Pietrowski und ich haben über die Jahre mehr als 1.500 Hornhautspenden aufbereitet. Mehr als 1.000 Patienten in ganz Deutschland wurden bereits mit einer Hornhaut aus Würzburg versorgt. Darauf können wir stolz sein“, sagt die Medizinisch-technische Assistentin Dorothea Deininger, die bereits 2013 dabei war und die Hornhautbank mitaufgebaut hatte. „Ende Januar werde ich mich verabschieden und in Rente gehen. Doch die Erinnerungen an diese spannende Zeit und die vielen Bekanntschaften bleiben. Das ist schön.“ Die zentrale Vermittlungsstelle der DGFG in Hannover ist auch für die Lions Hornhautbank Würzburg zentrale Ansprechpartnerin: Sie organisiert in enger Abstimmung mit den Koordinatoren, die die Spende realisiert haben, den Versand der Gewebe in die jeweilige Gewebebank im Netzwerk. So kommt es vor, dass in Würzburg nicht nur Spenden aus der eigenen Klinik, sondern auch aus ganz Deutschland aufbereitet werden. „Die Netzwerkstruktur erlaubt es uns, auf die jeweilige Auslastung in den Gewebebanken einzugehen und situationsgerecht Gewebe zur Aufbereitung zu verteilen“, erklärt Martin Börgel, Geschäftsführer der DGFG. „Unsere Vermittlungsstelle kümmert sich dabei auch um die Vermittlung der Gewebe an die Transplantationszentren und teilt den Gewebebanken mit, wohin die Transplantate verschickt werden sollen.“ Insgesamt konnte die DGFG im letzten Jahr 3.984 Patienten mit einem Hornhauttransplantat versorgen.
Hornhauttransplantate schenken Lebensqualität
Was ein Hornhauttransplantat aus der Gewebespende für Patienten bedeutet, weiß Dr. Daniel Kampik, Oberarzt in der Universitätsaugenklinik und Leiter der Lions Hornhautbank Würzburg. Er behandelt Patienten, die unter trübem, grauem Sehen aufgrund einer beschädigten oder erkrankten Hornhaut leiden. „Die Klarheit der Hornhaut ist Voraussetzung für das gute Sehen. Bei der Hornhaut kommt es aber nicht nur auf die Klarheit, sondern auch auf die Form an. Nur die richtige Form bringt eine korrekte Optik mit sich und damit erst ein klares Bild auf der Netzhaut“, erklärt Dr. Kampik. Zu den häufigsten Hornhauterkrankungen zählen Trübungen der Hornhaut durch sogenannte Hornhautdystrophien, eine Verformung der Hornhaut, ausgelöst durch einen Keratokonus, oder Beschädigungen durch Infektionen. Oft ist die Transplantation einer Hornhaut der einzige Weg, Patienten vor einer Erblindung zu bewahren. „Der Heilungserfolg ist dabei groß. Manchmal sehen Patienten mit dem operierten Auge sogar besser als mit ihrem vermeintlich gesunden Auge. Sie sind dankbar für dieses Geschenk und freuen sich über die zurückgewonnene, völlig neue Lebensqualität“, schildert Dr. Kampik.
Fast jeder Verstorbene kann Gewebe spenden
Voraussetzung einer jeden Hornhauttransplantation ist die Gewebespende, in diesem Fall die Spende der Augenhornhäute nach dem Tod. Die Gewebespende ist ein Akt der Hilfe und der Nächstenliebe: Jeder Mensch kann sich zu Lebzeiten für oder gegen eine Gewebespende entscheiden. Auch die Angehörigen können im Sinne der Verstorbenen einer Gewebespende zustimmen. Gewebe, die nach dem Tod gespendet werden können, sind neben Augenhornhäuten auch Herzklappen, Blutgefäße, Knochen, Sehnen, Bänder und Haut. Die Hirntoddiagnostik spielt bei der Gewebespende keine Rolle. Neun von zehn Gewebespenden stammen von Menschen, die eines ganz normalen Todes gestorben sind. Auch Krebserkrankungen oder ein hohes Lebensalter sind kein Ausschlussgrund.
Über das Universitätsklinikum Würzburg
Das Universitätsklinikum Würzburg (UKW, www.ukw.de) ist das einzige Krankenhaus der Supramaximalversorgung in Unterfranken. Sein Einzugsgebiet deckt eine Region mit über einer Million Einwohnern ab. Einige seiner Therapieangebote üben darüber hinaus eine bundesweite, teilweise sogar weltweite Anziehungskraft aus. Auch seine Forschung hat internationales Niveau. Über 7.300 Mitarbeiter*Innen garantieren eine patientenorientierte Medizin und eine Pflege nach anerkannten Qualitätsstandards. Das UKW versorgte im Jahr 2020 mit rund 1.400 Betten fast 69.000 Patienten stationär und 249.000 Fälle ambulant.
Über die DGFG
Die DGFG ist eine unabhängige, gemeinnützige Gesellschaft, die seit 1997 die Gewebespende und -transplantation in Deutschland fördert. Auf Basis des Gewebegesetzes von 2007 sind alle Tätigkeiten und Ablaufprozesse der Gewebespende gesetzlich geregelt. Für alle Gewebezubereitungen gilt das Handelsverbot. Die DGFG vermittelt ihre Transplantate über eine zentrale Vermittlungsstelle mit einer bundesweiten Warteliste. Jede medizinische Einrichtung in Deutschland kann Gewebe von der DGFG beziehen. Gesellschafter sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, das Universitätsklinikum Leipzig, die Medizinische Hochschule Hannover, die Universitätsmedizin Rostock sowie das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg.