Innerlich handlungsfähig bleiben

Resilienz-Trainerin Isabelle Meid über den Zusammenhang von Widerstandskraft und Langlebigkeit

0

©Daniel Pinho

Resilienz, also die Fähigkeit, mit Stress und Krisen umzugehen, und Langlebigkeit sind eng miteinander verbunden. Studien zeigen, dass eine hohe psychische Widerstandsfähigkeit mit einer höheren Lebenserwartung einhergehe. Lebenslinie hat sich hierzu mit Resilienz-Trainerin Isabelle Meid aus Estenfeld unterhalten.

Lebenslinie (LL): Was ist Resilienz? 

Isabelle Meid (IM): „Resilienz ist weitaus mehr als nur ‚mentale Stärke‘. Es geht nicht darum, Härte zu zeigen oder unangreifbar zu wirken. Resilienz bedeutet, durch Krisen hindurchzugehen, ohne sich selbst – und die eigene Fähigkeit zur Regulation – zu verlieren. Ein wesentlicher Schlüssel liegt im Körper. Resilienz zeigt sich also nicht in Unerschütterlichkeit, sondern in der lebendigen Beweglichkeit des Nervensystems. In der Fähigkeit, zwischen Aktivierung und Entspannung zu pendeln, mit Emotionen in Verbindung zu bleiben – ohne in ihnen steckenzubleiben.“

LL: Wie macht sich Resilienz bemerkbar? 

IM: „Resilienz zeigt sich oft leise im Alltag. Zum Beispiel ist ein Zeichen von Resilienz, in schwierigen Zeiten um Hilfe zu bitten oder Unterstützung annehmen zu können, ohne sich schwach zu fühlen. Sich klar und sicher abgrenzen zu können, wenn etwas zu viel wird oder nicht guttut. Oder frühzeitig Pausen einzulegen, bevor wir sie brauchen.“

LL: Warum ist Resilienz ein Schutzfaktor? 

IM: „Körperlich zeigt sich dieser Schutz konkret im Nervensystem: Wer resilient ist, kann zwischen Anspannung und Entspannung flexibler wechseln. Das heißt, das autonome Nervensystem bleibt anpassungsfähig – was sich langfristig positiv auf das Immunsystem, den Schlaf, die Verdauung und das Herz-Kreislauf-System auswirkt. Resilienz schützt unsere psychische Gesundheit, weil sie uns hilft, mit starken Emotionen und schwierigen Erfahrungen bewusst umzugehen – anstatt ihnen ausgeliefert zu sein. Ein resilienter Mensch erlebt genauso Schmerz, Angst oder Enttäuschung – aber er bleibt innerlich handlungsfähig.“

LL: Wie kann man seine Resilienz stärken? 

IM: „Resilienz ist nichts Fixes – sie lässt sich gezielt aufbauen. Echte Widerstandskraft entsteht nicht nur im Kopf, sondern durch die Fähigkeit, sich körperlich zu regulieren: Anspannung wahrzunehmen, Sicherheit im eigenen Körper zu spüren und sich selbst aus Stresszuständen heraus begleiten zu können.“

LL: In den sogenannten Blue Zones leben Menschen nachweislich länger. In Okinawa setzen beispielsweise die Menschen bewusst auf „Moai“ – feste soziale Gruppen, die sich gegenseitig unterstützen. Diese Struktur fördert dort Resilienz über Generationen. Wie wichtig sind Freundschaften für die eigene Resilienz? 

IM: „Freundschaften sind einer der stärksten Schutzfaktoren für Resilienz – emotional, sozial und sogar biologisch. Die Polyvagal-Theorie erklärt das anschaulich: Unser autonomes Nervensystem sucht ständig nach Signalen von Sicherheit. Und genau die finden wir in authentischen, tragenden Beziehungen: Blickkontakt, Stimme, Berührung, gemeinsame Erfahrung. Soziale Verbundenheit aktivieren den ventralen Vaguszweig – den Teil des Nervensystems, der für Ruhe, Verbindung und Selbstregulation sorgt. In Kontakt mit Menschen, bei denen wir uns sicher fühlen, kann unser System entspannen. Wir fühlen uns gehalten, weniger allein – auch in Krisen.“

Hilfreich für mehr Resilienz können kleine „Körper-Anker“ im Alltag sein, beispielsweise eine kurze Erdungsübung oder eine Atemtechnik, die gut tut. Ein Body-Scan, vor dem zu Bett gehen, darauf zu achten, dass unsere Bedürfnisse nicht zu kurz kommen. Für einen geregelten Tagesablauf zu sorgen, genügend Pausen, Bewegung an der frischen Luft und im Tageslicht. Mehr Übungen für mehr Resilienz finden sich in der eigens zusammengestellten Mediathek von Isabelle Meid für Lebenslinie-Leserinnen und -Leser unter diesem Link.

Share.