,, Ich bin eine XY- Frau  ,,

Frederike Bahm1 lebt mit einer seltenen genetischen Besonderheit und weiß inzwischen: „Ich bin gut so, wie ich bin“

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Frederike Bahm sieht aus wie jede andere Frau. Doch etwas unterscheidet sie von den meisten Frauen: Frederike ist eine sogenannte XY-Frau. Professor Martin Fassnacht, Leiter der Endokrinologie am Universitätsklinikum Würzburg erläutert: „Medizinisch gesprochen hat sie eine komplette Androgenresistenz. Das bedeutet: Obwohl ihr Körper äußerlich weiblich ist, trägt Frau Bahm in jeder Zelle ihres Körpers einen männlichen Chromosomensatz – XY statt XX. Ursache ist eine Genveränderung auf dem X-Chromosom, die bewirkt, dass ihr Körper auf männliche Geschlechtshormone (Androgene) nicht reagiert. Als Folge bilden sich keine männlichen Geschlechtsmerkmale, sondern Vagina und äußere weibliche Merkmale. Diese Frauen haben aber keine Gebärmutter und keine Eierstöcke, sodass sie nur geringe Mengen an Östrogenen und Gestagenen produzieren und auch keine Periodenblutungen bekommen.“ „Ich habe es mit 16 erfahren“, erzählt Frederike. „Alle Freundinnen um mich herum bekamen ihre Tage. Ich nicht.“ Ihre Mutter, mit der sie über Sexualität kaum sprach, vertraute ihr schließlich das Familiengeheimnis an – auch ihre Schwester und Tante sind XY-Frauen. „Es war ein Schock. Ich fühlte mich alleine und wusste nicht damit umzugehen.“ Frederike habe früh gelernt, zu funktionieren. Und zu schweigen. Sie hatte Beziehungen, ohne je einem Mann zu sagen, wer und was sie wirklich ist. „Sex war oft unangenehm. Zwar habe ich mit 19 Jahren eine Hormonersatztherapie begonnen, aber trotzdem sind meine Schleimhäute im Intimbereich hormonell nicht optimal versorgt. Das hat oft zu Problemen und Schmerzen geführt.“ Statt Ehrlichkeit wählte sie Schutz – durch kleine Notlügen. Heute ist vieles anders. Frederike habe gelernt, ihre Geschichte anzunehmen. Es sei ein langer Weg gewesen mit Scham, Isolation und Schweigen – aber hin zu Selbstakzeptanz und Selbstliebe. Der Austausch mit anderen XY-Frauen, auch wenn er oft anonym bleibt, half ihr ebenso wie die gesellschaftliche Bewegung für Diversität und Sichtbarkeit. „Als mich eine gute Freundin bei der Geburt ihres Kindes dabeihaben wollte, war das ein Geschenk. Ich kann keine Kinder bekommen, und dass ich bei diesem intimen Moment dabei sein durfte, damit ich es auch einmal erlebe, bedeutet mir viel.“ Frederike würde sich eine Welt wünschen, in der Menschen mit körperlichen Besonderheiten nicht schweigen müssen. „Es braucht Aufklärung und Offenheit. Damit junge intersexuelle Menschen so wie ich nicht glauben, sie seien falsch oder weniger Frau. Diversität solle nicht nur ein politisches Schlagwort, sondern gelebte Realität sein.“

Illustrationen: ©Sabine Trost

1Der Name wurde aus Rücksicht auf den Schutz der Persönlichkeit geändert

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