Selbstständig und selbstbestimmt leben

Im Pflegeübungszentrum der Caritas in Mellrichstadt lernen Senioren Hilfsmittel kennen, um zuhause alleine klar zu kommen

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Es dauert oft lange, bis etwas Neues zur Gewohnheit geworden ist. Man kennt das vom Essen: Wer seine Ernährung umstellt, trauert noch eine ganze Weile den Lebensmitteln nach, die nun nicht mehr auf dem Speiseplan stehen. Auch Senioren müssen aufgrund von Pflegebedürftigkeit oft Altvertrautes aufgeben und sich an Neues gewöhnen.

Zum Beispiel an die Nutzung eines Rollators. Im Pflegeübungszentrum (PÜZ) der Caritas in Mellrichstadt werden sie beim Einstieg ins Neue begleitet. Hilfsmittel wie Rollatoren vermindern das Risiko, im Alter fremdbestimmt leben zu müssen. „Solche Hilfen zur Selbsthilfe kristallisieren sich in unserem PÜZ als thematischer Schwerpunkt heraus“, sagt hierzu Johanna Dietz vom Fachbereich Ambulante Altenhilfe der Caritas im Landkreis Rhön-Grabfeld.

Ins Pflegeübungszentrum kamen bisher vor allem Senioren, die möglichst selbstständig und selbstbestimmt leben wollen. Sie üben den Umgang mit dem Rollator, damit sie alleine den Gang zum Metzger bewältigen. Oder sie gewöhnen sich daran, einen Saugroboter zu bedienen, weil sie der Tochter nicht zumuten wollen, jede Woche zum Putzen kommen zu müssen. Laut Dietz gibt es heutzutage eine Fülle von technischen Hilfsmitteln, die es auch im höheren Lebensalter erlauben, alleine in den eigenen vier Wänden zu leben.

Ludmilla Dittrich, eine der ersten PÜZ-Bewohnerinnen, lernte in dem im April 2019 eröffneten, bundesweit ersten Pflegeübungszentrum, den virtuellen Sprachassistenten Alexa kennen. Zusammen mit PÜZ-Leiterin Ulli Feder übte die Seniorin, Alexa zu bedienen. Anfangs war die Kommunikation schwierig. Hatte Alexa eine Rückfrage, weil sie das Kommando nicht verstand, nickte Dittrich mit dem Kopf oder schüttelte ihn – womit Alexa nichts anfangen konnte. Nicht ganz leicht ist es auch, zum ersten Mal in die Tagespflege zu gehen. Viele Angehörige fragen sich sorgenvoll, ob ihr Ehepartner, ob der Vater oder die Mutter es in der fremden Umgebung „aushält“. Oder ob der Verwandte dort nur unglücklich darauf wartet, endlich abgeholt zu werden.

So ging es auch einem betagten Herrn, der sich um seine pflegebedürftige Gattin kümmerte. Der Mann brauchte dringend eine Auszeit. „Doch meine Frau würde nie in die Tagespflege gehen“, meinte er im Vorgespräch mit dem PÜZ-Team. „Zur Überraschung des Mannes klappte der Besuch jedoch richtig gut“, erzählt Tagespflegeleiterin Andrea Ebert. Mit diesem Beispiel illustriert die Caritas, wie wichtig es gerade auch für Ehepartner sein kann, sich im PÜZ in Neues einzuüben, um Überforderungssituationen zu vermeiden. Durch eine Dauerpflege, so Dietz, könne es leicht zum Burn-out kommen. Was tunlichst vermieden werden sollte.

Bisher waren die PÜZ-Bewohner durchweg zufrieden mit dem Angebot und der Leistung des Zentrums. Acht Mal waren die Apartments 2019 belegt. Im November lebten über vier Wochen hinweg erstmals zwei Ehepaare zusammen. „Es war für sie schön, abends zu viert am Tisch zu sitzen und miteinander zu essen“, schildert Dietz. Alle vier profitierten immens von den Tipps, die sie vom PÜZ-Team erhielten. Das PÜZ soll mit den Jahren weiter ausgebaut werden. „Wir wollen als nächstes eine Badewanne nachbilden, damit die Senioren üben können, einen Lifter alleine zu benutzen“, kündigt Dietz an. Mittelfristig ist außerdem geplant, ein Programm zur Sturzprävention anzuschaffen: „Das gibt es noch nicht für zu Hause, deshalb haben wir es auch noch nicht.“ Das derzeit in der Erprobungsphase befindliche Seniorenprogramm funktioniert wie ein Wii-Spiel. In der Tagespflege St. Kilian wird die „memoreBox“, wie das Spiel heißt, gerade getestet.

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