Zum Anbeißen

Die verbotene Frucht „Apfel“ rückt für Allergiker durch die Kultivierung vergessener alter Sorten wieder in greifbare Nähe

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„An apple a day keeps the doctor away“: Durch zahlreichen Ernährungsstudien belegt, gibt es an und für sich an diesem Sprichwort nichts zu rütteln. Dennoch stimmt es für rund zwei Millionen Menschen in Deutschland nicht. Der Genuss eines Apfels ruft bei ihnen eher den Doktor auf den Plan. Denn sie reagieren allergisch auf Äpfel. Allerdings nicht auf alle!

Verträgliche alte Sorten

Viele Apfelallergiker vertrügen alte Apfelsorten wie Goldparmäne, Gravensteiner, Boskoop oder Prinz Albrecht von Preußen sehr gut, so die ersten vorsichtigen Ergebnisse einer neuen Studie zur Verträglichkeit von Apfelsorten von Bund-Lemgo und dem Allergiezentrum der Berliner Charité *.

Woran das liegt? Bei den sechs bis acht neuen Apfelsorten in den Supermarktregalen seien die Polyphenole (sekundäre Pflanzenstoffe) mehr oder weniger herausgezüchtet, sagt Krischan Cords, Geschäftsführer der Main-Streuobst-Bienen eG.

„Der massenkompatible heutige Apfel muss makellos, haltbar, süß und crunchy sein“, so der Diplom-Gartenbauingenieur (FH). Polyphenole machen den Apfel sauer und begünstigen die schnelle Bräunung. „Allerdings zeichnen die Polyphenole anscheinend auch verantwortlich, dass Allergiker oftmals alte, naturreine Apfelsorten vertragen, da deren Polyphenole das Hauptallergen des Apfels „Mal d1“ irgendwie unschädlich machen,“ so Cords.

Die Apfelbewahrer

Rund 30.000 verschiedene Apfelsorten kennt man weltweit, allein in Deutschland gibt es immerhin noch rund 2000. Damit das so bleibt und viele alte Sorten nicht mit ihren Hegern und Pflegern aussterben, gibt es die „Apfelbewahrer“.

Zu solchen zählen sich auch die rund 70 Mitglieder der Mainobst-Bienen-Genossenschaft in den Landkreisen Main-Spessart, Kitzingen und Würzburg. Rund 100 Tonnen Äpfel alter Sorten haben die Genossen 2016 eingefahren und damit den Streuobstwiesen zu neuer Blüte verholfen.

Die kleinen Biotope werden extensiv gepflegt und beherbergen mehr als 5000 Tier- und Pflanzenarten. Diese natürliche Umgebung stecke im Apfel, betont Cords. Weil die stark wachsenden Streuobstbäume weit in das Erdreich wurzeln und sich schon immer gegen Schädlinge und natürliche Feinde wehren mussten, kann der kräftige und robuste Baum ohne chemische Dünge- und Pflanzenschutzmittel leben.

Seine Früchte sind daher die geballte Ladung an Vitaminen, sekundären Pflanzenstoffen und Mineralien. Der „alte“ Apfel, ein Superfood! Und es wäre eine Sünde, ihn auf dem Boden vor der Haustüre verrotten zu lassen. Anders als bei Adam und Eva ist er keine verbotene Frucht mehr, sondern nur eine vergessene Sorte – Reinbeißen erlaubt!

* Laut Bericht einer Probandin, die an der Studie teilnahm, traten beim Verzehr der als verträglich eingestuften Äpfel (alte Sorten) in den ersten Wochen noch geringe allergische Reaktionen auf, die im Laufe der Zeit immer weiter abnahmen. In den letzten Wochen stellte sie keinerlei Reaktionen mehr fest und konnte problemlos und mit Begeisterung Äpfel konsumieren. Die Auswertung der Studie erfolgt im Frühjahr 2017. Die ersten Erkenntnisse machen Apfelallergikern Hoffnung, dürfen aber nicht verallgemeinert werden. Bei hochgradiger Apfelallergie sollte ein Selbstversuch nur unter ärztliche Aufsicht unternommen werden. Quelle: www.bund-lemgo.de/apfelallergie.html

Das Interview mit Krischan Cords, Geschäftsführer der Main-Streuobst-Bienen eG, führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury.

Die Apfelbewahrer
Die Main-Streuobst-Bienen eG ist ein Zusammenschluss von Streuobstbauern, Imkern, Privatleuten, Firmen, Vereinen, Gemeinden und Landkreisen. Sie will den Streuobstbau und sowie die Bienenhaltung in Mainfranken erhalten, pflegen und fördern. Der Tätigkeitsbereich der Genossenschaft erstreckt sich dabei über die Landkreise Main-Spessart, Kitzingen und Würzburg. Streuobst sei ein wichtiger Teil der Kulturlandschaft Mainfrankens und ein prägendes Element unserer Heimat, so Krischan Cords, Geschäftsführer von Main-Streuobst-Bienen eG. Nur durch aktive Pflege könnten diese wertvollen Bestände erhalten und so für zukünftige Generationen tragfähig gemacht werden. Zusätzlich müsse die nachhaltige Vermarktung von Streuobst und regionalem Honig sichergestellt werden, um sich die Kultivierung von Streuobstwiesen, den damit verbundenen Lebensraum und das genetische Potential alter Sorten bewahren zu können.

www.streuobst-bienen.de
www.main-schmecker.de

www.streuobst-mainfranken.de
www.pomologen-verein.de
www.bund-lemgo.de

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