Spieglein,Spieglein an der Wand…

Was ist Schönheit? Diese Frage beschäftigt schon seit Jahrhunderten - vor allem das weibliche Geschlecht

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Foto: ©depositphotos.com/@Subbotina

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„Spieglein, Spieglein an der Wand: Wer ist die schönste Frau im ganzen Land? Da antwortete der Spiegel: „Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier, aber Schneewittchen, über den sieben Bergen ist noch tausend Mal schöner als Ihr!“ Was die Brüder Grimm in ihrem Märchen 1812 formulierten, treibt uns heute immer noch um: die Schönheit und die damit verbundene Frage: Was ist schön?

Die Universität Regensburg startete daher 2013 eine Studie zur Attraktivität von Gesichtern. Untersucht wurden 64 Frauen- und 32 Männergesichter im Alter von 17 bis 29 Jahren. Die Originalgesichter wurden in einem weiteren Durchlauf „digital“ bearbeitet, will heißen noch „schöner“ gemacht (es waren bei den Frauen bereits acht Models dabei).

Die „Richter“ über „schön“ oder „hässlich“ mussten auf einer Skala von 1 (sehr unattraktiv) bis 7 (sehr attraktiv) bei jeder „Gesichtskontrolle“ Noten abgeben. Das Ergebnis: Die am „attraktivsten“ empfundenen Gesichter waren retuschiert – also nicht wirklich echt. Die am Computer bearbeiteten Originalgesichter wiesen Merkmale auf, die es im Zusammenspiel so nie gibt, also ein Ideal. So auszusehen, wie die Frau aus der Kosmetikwerbung, bleibt demnach bei aller Anstrengung unerreicht.

Warum tappen intelligente und aufgeklärte Frauen des 21. Jahrhunderts dennoch immer wieder in die „Schönheitsfalle“? Ganz einfach, weil sie es so gelernt haben: Von Klein auf werden sie mit Geschichten sozialisiert, in denen die schöne Prinzessin „Haut, so weiß wie Schnee, Lippen, so rot wie Blut und Haare, so schwarz wie Ebenholz“ hat und dadurch alle für sich gewinnt – vom „Auftragskiller“ über „Zwerge“ bis hin zum „Prinzen“. Und weil „schön“ immer „gut“ ist, siegt sie am Ende sogar über die böse Königin und Stiefmutter.

Ein Märchen eben… von wegen: Die auf „Attraktivitätsforschung“ spezialisierte amerikanische Psychologin Rita Freedmann konstatiert: Schöne Menschen haben es leichter im Leben und sind sowohl beruflich als auch im Privatleben erfolgreicher.

Der „Zauber der Schönheit“ erfasst alles und zieht seine Kreise. Und deshalb „…ist es nichts Neues…, dass der Körper zur Plattform der Inszenierung, zum Statussymbol und zu einem zentralen Medium der Identität wird“, fasst die Soziologin Waltraud Posch im Katalog zur Ausstellung „Was ist schön?“ im Deutschen Hygiene Museum in Dresden, den Status Quo zum Thema „Schönheit“ zusammen.

Aber es gibt Licht am Ende des Tunnels: Bei den nicht retuschierten, echten Gesichtern der Regensburger Studie galten auch die als schön, die am durchschnittlichsten waren. Susanne Groß, Referentin für Psycho-Physiognomik aus Bad Kissingen erklärt das zunächst widersprüchlich erscheinende Ergebnis wie folgt: „Die sogenannten „durchschnittlichen“ Gesichter in der Studie zeigen vermutlich eine Symmetrie in den Formen.

Und Symmetrie wirkt attraktiv, sprich anziehend, auf den Betrachter. Wir gehen unbewusst davon aus, dass Symmetrie im Aussehen eine gewisse Ausgeglichenheit im Inneren wiederspiegelt. Wir rechnen beispielsweise in der Begegnung mit einer fremden „attraktiven“ Person nicht mit Aggression, Abwehr oder Ablehnung, sondern vielmehr mit Offenheit und Freundlichkeit, also mit einer positiven Begegnung“.

Der Schein kann aber auch trügen, weiß die Expertin, die von Berufs wegen in Gesichtern liest: „Menschen, die keine symmetrischen Formen zeigen (die „unstimmigen“ Formen zeigen das Unangepasste im Menschen), werden in der Physio-Physiognomik auch desintegrative Naturelle genannt.

Diese „Typen“ können in allen Lebensbereichen sehr extrem handeln oder reagieren. Sind sie jedoch mit sich im Reinen und wissen ihre Fähigkeiten positiv und/oder kreativ zu nutzen, strahlen sie auch Attraktivität aus!“ Frappant, dass gerade ein Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie das ähnlich sieht: „Die perfekte Symmetrie wird immer als Maß der Schönheit angesehen. Ich persönlich finde kleine „Makel“ meist interessanter. Denn sie machen einen Menschen für mich erst attraktiv,“ betont Dr. Jens Kauczok aus Würzburg.

„Schönheit“ liegt also doch im Auge des Betrachters? „Das Schöne ist das, was im Schauen gefällt“, sagte Thomas von Aquin. Und jeder Mensch ist anders, denkt anders und fühlt anders. Daher schreit die Frage: Was ist schön? nach ganz vielen individuellen Antworten, weil es die eine allumfassende, alle zufriedenstellende Antwort nicht gibt, nicht geben kann.

Die Männer der Maori fanden es schön, ihr Gesicht mit Tätowierungen zu übersähen, in verschiedenen Regionen Asiens gelten lange Frauenhälse als attraktiv und werden mit Konstruktionen aus Messing und Kupfer bis ins Extreme betont.

Schön ist, was gefällt! Wem auch immer, wo auch immer, warum auch immer! Oder um mit Christian Morgenstern zu schließen: „Schön ist alles, was man mit Liebe betrachtet!“

Was ist Schönheit – was ist schön?

„Schön ist etwas, das mein Herz erfüllt und mich bewegt. Und nach meiner Erfahrung kann ich in einer offenen und liebevollen Haltung Schönheit auch dort entdecken, wo ich sie vorher nicht wahrgenommen habe.“
Patricia Appel, Ärztin und Gestalttherapeutin

„Die plastische Chirurgie hat einen Schönheitswahn hervorgebracht, der fast brutaler einzwängt als ein Korsett.“
Susanne Schütte, Modejournalistin

„Schönheit entsteht für mich beim unvoreingenommenen Betrachten der Natur.“
Wolfgang Rössler, Professor am Biozentrum der Universität Würzburg,
Leiter des  Lehrstuhls Verhaltensphysiologie  und Soziobiologie

„Schönheit ist mehr als das äußere Erscheinungsbild, denn wirklich wahre Schönheit kommt aus inneren Quellen.“
Dolores Obert, Heilkosmetikerin

„Schönes gibt Kraft, Hässliches kostet Kraft.“
Thorsten Drechsler, Einzelhändler

„Schön ist … das Lächeln eines glücklichen Menschen, ein Tautropfen auf einem Blatt, in dem sich die Umgebung spiegelt, die Blüte einer  Sonnenblume, die Kurven einer Sanddüne in der Wüste. Man muss nur offen genug sein, um zu entdecken!“
Barbara Schaper-Oeser, Künstlerin

„Schönheit ist eigentlich nie traurig, sie tut nur weh.“
Marilyn Monroe, Schauspielerin

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