Puzzleteile gegen Tuberkulose

Würzburger Biochemikerin Professor Dr. Caroline Kisker ist an der Entwicklung neuer Medikamente beteiligt

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Meist vergehen bis zur Markteinführung eines Medikaments mehr als zehn Jahre. Für Pharmaunternehmen ist es finanziell hochriskant, in die Tuberkulose-Forschung zu investieren, denn sobald ein über Jahre entwickeltes Medikament auf dem Markt ist, besteht die Gefahr, dass sich Resistenzen entwickeln. Die Würzburger Biochemikerin
Prof. Dr. Caroline Kisker spricht von einem „ständigen Wettrüsten“. Foto: Michaela Schneider

Als „Krankheit der Armen“ wurde Tuberkulose (TB) lange Zeit bezeichnet und man dachte, man habe sie besiegt. Heute ist man schlauer: Tuberkulose gehört keinesfalls der Vergangenheit an, weltweit zählt sie zu den häufigsten Infektionskrankheiten.

Laut Bericht 2016 der Weltgesundheitsorganisation WHO starben im Jahr 2015 rund 1,8 Millionen Menschen an Tuberkulose – und damit 300.000 mehr als noch ein Jahr zuvor. Auch in Deutschland steigen die Fallzahlen: 2016 zählte das Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) bundesweit 5.915 Erkrankungen.

Durch Migration und weltweiten Tourismus verbreiten sich Krankheiten schneller als früher. Übertragen werden Tuberkelbakterien von Mensch zu Mensch, meistens durch Tröpfcheninfektion, also über die Luft. An sich ist TB behandelbar, allerdings droht längst eine neue Gefahr, denn es entwickeln sich zunehmend Resistenzen gegen die in der Behandlung eingesetzten Antibiotika.

Laut WHO-Bericht gibt es geschätzt bereits 480.000 Multiresistenzfälle. Gängige Antibiotika wirken nicht mehr, neue Medikamente müssen entwickelt werden. Eine, die sich damit auseinandersetzt, ist die Würzburger Biochemikerin Professor Caroline Kisker (53 Jahre), Expertin für das Design neuer Wirkstoffe und seit 2016 Co-Leiterin des Rudolf-Virchow-Zentrums, einem Forschungszentrum für Experimentelle Biomedizin an der Universität Würzburg.

„Nach neuen Medikamenten wird zwar gesucht“, sagt die Biochemikerin. „Das Problem ist aber: Deren Entwicklung hält bei Weitem nicht mit dem Entstehen neuer Resistenzen Schritt. Wir sind nur ein ganz kleines Rad, die Medikamentenentwicklung ist immer ein Zusammenspiel vieler Gruppen. Chemiker, Mikrobiologen, Strukturbiologen, Theoretiker und Mediziner arbeiten zusammen“, weiß Professor Kisker.

In der Grundlagenforschung am RVZ geht es um sogenanntes strukturbasiertes Wirkstoffdesign. Vereinfacht gesagt, suchen die Wissenschaftler nach Schwachstellen von Erregern, um neue Angriffspunkte für Medikamente zu identifizieren.

Im nächsten Schritt versuchen sie strukturell möglichst genaue passende Wirkstoffe zu entwickeln, die sich an Proteine des Erregers binden und diese daran hindern, ihre Funktion auszuüben und somit dem Körper helfen, den Erreger zu bekämpfen. Bei diesen Wirkstoffen handelt es sich idealerweise um kleine Moleküle, die in Tablettenform oral eingenommen werden können.

Grundgedanke im aktuellen Fall: Eines der bekanntesten Antibiotika gegen die Tuberkulose ist seit den 1960er-Jahren Isoniazid. Allerdings hat es laut Kisker einen großen Nachteil: „Es muss erst einmal in den Mykobakterien durch ein anderes Eiweißmolekül aktiviert werden. Dieses Eiweißmolekül ist inzwischen oft mutiert und aktiviert dann das Isoniazid nicht mehr. Wir versuchen nun, einen direkten Inhibitor zu bauen, der vorher nicht aktiviert werden muss.“

Als Ausgangsbaustein verwendeten die Forscher dafür das bereits existierende Antiinfektivum Triclosan und entwickelten es weiter. Ein bisschen sei ihre Arbeit wie puzzeln, sagt Kisker, denn die Wissenschaftler wollen einen hochspezifischen Wirkstoff bauen, der im menschlichen Körper ausschließlich an das Protein im Tuberkuloseerreger andockt, um Nebenwirkungen zu vermeiden.

Er soll an seinem Zielort „hängen“ bleiben wie ein sehr komplexes Puzzleteil und möglichst lange verweilen, sodass der Wirkstoff seinen Zweck erfüllen kann.

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