Leben trotz Erschütterung

Projekt „Perlmut(t)“ der Johanniter hilft beim Umgang mit traumatisierten Kindern

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Foto: ©depositphotos.com/@vanazi

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Einen gefährlichen Fluchtweg hatte der Jugendliche zu bewältigen, bevor er endlich nach Deutschland kam. Am schlimmsten war es, als die Gruppe durch den Urwald musste.

„Wir hatten ein Baby dabei. Das durfte nicht schreien“, erzählte der Schüler. Doch das Baby schrie: „Da brachten sie es einfach um.“ Mitten im Unterricht platzte der Teenager mit diesem Erlebnis heraus.

„Die Lehrerin war starr vor Schreck“, berichtet Susann Lojewski vom Projekt „Perlmut(t)“ der Johanniter in Unterfranken. Seit vier Jahren bringen Susann Lojewski und ihre Kollegin Bettina Wohlleber Erzieherinnen, Lehrer und Lehrerinnen in dreistündigen Schulungen bei, wie sie mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen umgehen können.

2000 pädagogische und psychologische Fachkräfte nahmen allein im vergangenen Jahr an den Fortbildungen teil. „Und die Nachfrage ebbt nicht ab“, sagt Lojewski. Im Gegenteil. Der „Nachfrageradius“ weitet sich immer stärker aus, denn „Perlmut(t)“ ist bundesweit einzigartig. „Mich erreichte kürzlich eine Anfrage aus Hannover“, so Bettina Wohlleber.

Den Traumapädagoginnen zufolge gibt es wahrscheinlich keine Schulklasse, in der nicht ein traumatisiertes Kind sitzen würde. Allerdings ist nicht immer sofort zu erkennen, ob ein Kind Schlimmes erlebt hat. „Bei kleinen Kindern kann sich eine Traumatisierung durch starken Bewegungsdrang äußern“, so Lojewskis Hinweis.

Die Kleinen fügen sich nicht gut in Gruppen ein, im Sitzkreis fühlen sie sich unbehaglich. Auf kleinste „Provokationen“ anderer Kinder, die meist gar nicht provokativ gemeint sind, kann heftige Gegenwehr erfolgen.

Nicht selten brechen sich Aggressionen Bahn. Sicherheit geben und Normalität schaffen, das sind die wichtigsten Stichworte für Lehrerinnen und Erzieherinnen, die mit traumatisierten Kindern zu tun haben.

Für ein Stück Normalität kann zum Beispiel die Integration in einen Sportverein sorgen. Hier ist es möglich, seinen Bewegungsdrang auszuleben. Hier erfahren gerade auch Jugendliche, die von weither geflüchtet sind, Gemeinschaft und das Gefühl, zu einer Gruppe dazuzugehören.

Doch nicht nur Kinder aus Flüchtlingsfamilien können traumatisiert sein. Manchmal machen laut Wohlleber schon Babys erschütternde Erfahrungen: „Durch eine frühe Herzoperation, eine Frühgeburt oder eine sehr frühe Herausnahme aus der Familie.“

Auch sexueller Missbrauch oder Gewalt in der Familie kann ein Trauma auslösen. Kinder und Jugendliche, die danach nicht aufgefangen und begleitet werden, können lebenslang erschütterbar bleiben. Nicht selten entwickeln sich psychische Probleme oder Abhängigkeitserkrankungen. Wird das Trauma jedoch aufgearbeitet, kann es zu einem Gefühl von Befreiung und Bereicherung kommen.

Daher rührt auch der Name „Perlmut(t)“: Schafft es doch eine Muschel, Verletzungen durch ein Sandkorn in eine glänzende Perle zu verwandeln.

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