Kaugummi als Alarmsystem

Die Zunge dient Implantatträgern als Detektor – Wird es bitter, könnte eine Entzündung vorliegen, erklärt Prof. Lorenz Meinel das Prinzip

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Tobias Miesler, Apotheker und Doktorand (links), und Professor Lorenz Meinel (rechts)arbeiten im Labor an Kaugummi-Schnelltests. Foto: Michaela Schneider

Das Prinzip eines Diagnostikums mit der Zunge als Detektor ist clever. Zahnimplantatträger kauen einen Kaugummi. Wird der Geschmack bitter, könnte eine Entzündung durch das Implantat vorliegen und der Patient sollte schnellstens zum Zahnarzt gehen.

Viereinhalb Jahre hatte das Team um Professor Lorenz Meinel, Inhaber des Lehrstuhls für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, an dem Alarmsystem geforscht. Inzwischen ist sich der 45-Jährige nach ersten Tests mit Speichel recht sicher, dass das Konzept tatsächlich funktioniert.

Implantate an sich sind inzwischen von sehr guter Qualität. Allerdings bleibt die Gefahr einer bakteriellen Besiedlung fünf bis zehn Jahre nach der Implantation. Hauptproblem: Das Schmerzempfinden rund um das Implantat geht bei der Operation verloren, weil Nerven zerstört werden. Deshalb spürt der Patient eine Entzündung unter Umständen gar nicht – oder erst spät. Bis dahin kann der Kieferknochen stark angegriffen sein.

Natürlich sollten Implantatträger regelmäßig zur zahnärztlichen Kontrolluntersuchung gehen, sagt Meinel. Die Realität sehe aber oft anders aus. Und so machten sich die Wissenschaftler auf die Suche nach einem System zur Wahrnehmung von Entzündungen, wenn das Schmerzempfinden fehlt. Finanziert wurde das Projekt über EU-Mittel in Höhe von zwei Millionen Euro. „Ein sehr empfindlicher Detektor, den wir immer bei uns haben, ist unsere Zunge“, sagt Meinel.

Die Forscher kamen auf die Idee zum Kaugummi-Schnelltest. Falls im Mundraum eine Entzündung vorliegt, soll beim Kauen ein bitterer Geschmacksstoff freigesetzt werden als Alarmsignal. „Typischerweise schmecken Menschen kleine Substanzen, große dagegen nicht“, erklärt Meinel den biochemischen Hintergrund.

Und so ging es im Folgenden darum, ein großes Molekül durch die Gegenwart der Bakterien in ein kleines zu verwandeln – allerdings nur, falls tatsächlich eine Entzündung vorliegt. Hierbei machten sich die Wissenschaftler folgenden Prozess zunutze: Bei Entzündungen werden im Mund spezifische eiweißabbauende Enzyme aktiviert, sogenannte Proteasen. Diese wirken wie eine Machete und zerschneiden das Bindegewebe. Deshalb wird es rot, warm und schwillt an.

Diese Proteasen „zerschneiden“ nun auch im Kaugummi einen speziellen Inhaltsstoff. Große Moleküle werden zu kleinen – und ein spezieller Bitterstoff wird freigesetzt, der vorher nicht zu schmecken war. Erste Tests mit dem Speichel von Implantatträgern mit und ohne Entzündung wurden inzwischen erfolgreich durchgeführt.

Als nächstes will Meinels Team eine Firma gründen, um Schnelltest-Kaugummis zu produzieren und in Studien mit Patienten den eigentlichen Nachweis bringen, dass das Prinzip funktioniert.

Bis zur Marktreife, schätzt er, dürften dann noch zwei Jahre vergehen.

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