Humor ist Tragik plus Zeit

Gastautor Dr. Eckart von Hirschhausen über die rezeptfreie Wirkung des Lachens

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„Forschungsgelder sind leichter für Mäuse und ihre Rezeptoren zu beantragen als für Menschen und ihre Beziehungen“, klagt Dr. Eckart von Hirschhausen. Foto: Det Kempe

„Forschungsgelder sind leichter für Mäuse und ihre Rezeptoren zu beantragen als für Menschen und ihre Beziehungen“, klagt Dr. Eckart von Hirschhausen. Foto: Det Kempe

Humor ist nichts Oberflächliches, sondern das tiefe Einverständnis in die Absurdität unserer Existenz. „Humor ist Tragik plus Zeit“. Wir können an den Widersprüchen der Welt verzweifeln, verrückt werden oder wir können über sie lachen – das sind Optionen.

In den letzten Jahren findet endlich ein Umdenken in der Psychologie statt, weg von den Defiziten und Diagnosen hin zu den Ressourcen und Resilienzfaktoren. Was schützt unsere seelische Gesundheit? Was gibt uns Kraft, wo tanken wir auf, wofür stehen wir morgens überhaupt auf?

Meine Stiftung „Humor hilft heilen“ fördert heilsame Stimmung im Krankenhaus. Clowns im Krankenhaus waren die ersten „Eisbrecher“, anfangs auf den Kinderstationen, dann bei Erwachsenen und inzwischen auch sehr erfolgreich in der Geriatrie, der Altenpflege, der Palliativmedizin. Wie die Hospizbewegung ist die Idee von der heilenden Wirkung des Humors etwa seit 20 Jahren Teil einer Gegenkultur zur industrialisierten Medizin.

Joker der Zuwendung

Der große Vorteil der Clowns: Sie stehen außerhalb der Hierarchien, sie können sich ihre Zeit frei einteilen, sie sind die „Joker“ der Zuwendung und können dorthin gehen, wo sie gerade gebraucht werden. Gute Clowns leisten großartige Arbeit, doch leider sind nicht alle gut.

Die Idee wurde auch von halbguten Clowns als „Arbeitsmarkt“ entdeckt, weshalb die Kliniken und Heime dringend darauf achten sollten, mit wem sie zusammenarbeiten. Der „Dachverband für Clowns im Krankenhaus“ und „Humor hilft heilen“ haben Qualitätsstandards definiert und helfen gerne bei Weiterbildung und Coaching der Gruppen vor Ort.

Die Clowns sollten zu zweit arbeiten, Supervision und Weiterbildung bekommen, künstlerisch-pädagogische Profis sein und bezahlt werden – langfristig könnte hier ein neuer Gesundheitsberuf entstehen, wie es in den Niederlanden oder der Schweiz schon flächendeckend realisiert ist.

Humorforschung

Aus meiner kleinen Stiftung, die ich 2008 gegründet habe, ist inzwischen der wichtigste Förderer der Humorforschung geworden, mit dem klaren Ziel, es bald nicht mehr sein zu müssen. Denn sobald sich in Pilotstudien eine Wirkung belegen lässt, sollte es Sache der großen Forschungsgemeinschaften sein,
diese zu finanzieren, zu vertiefen und zu verstetigen.

Leider sind die Milliarden Forschungsgelder leichter für Mäuse und ihre Rezeptoren zu beantragen, als für Menschen und ihre Beziehungen. Je länger ich die Humorarbeit unterstütze, desto wichtiger werden mir die Pflegekräfte. Ausgerechnet die Idealistischen und Hochmotivierten unter ihnen brennen am schnellsten aus, wenn ihre Ansprüche und die Realität aufeinanderprallen. Und die Flexiblen und mehrfach Begabten wechseln das Terrain, weil sie keine Aufstiegs- und Entwicklungschancen sehen.

„Pflegezeit ist Lebenszeit!“ Und das sollte für beide Seiten gelten, für Patienten und Pflegende. Aber wer hat heute noch Zeit? Wenn Zeit Geld ist, und gespart wird, wird am grausamsten an Zuwendung gespart, denn das fällt erst einmal nicht so auf.

Ich habe selbst noch an der Universitätsklinik in Berlin gearbeitet, die heute zur Charité gehört. Es ist das größte Klinikum Europas. Was die wenigsten noch wissen: Das Wort Charité kommt nicht von Shareholder Value. Charité kommt von Caritas, der Nächstenliebe. Sich um kranke Menschen zu kümmern, war im christlichen Abendland ursprünglich ein Akt der Barmherzigkeit.

Ein Patient ist kein Kunde, sondern ein leidender Mensch. Und die wichtigste Frage sollte auch nicht sein, wie mache ich mit der Behandlung des Patienten 20 Prozent Rendite, sondern: Was kann ihm helfen?

Foto: ©depositphotos.com:acidgrey

Foto: ©depositphotos.com:acidgrey

Personalisierte Medizin?

Wenn die Lokführer oder die Piloten streiken, kommt man ein paar Tage nicht von A nach B. Aber wenn die Pflege streikt, kommt keiner mehr vom Bett aufs Klo. Und nach zwölf Stunden ist jedem klar, was schlimmer ist. Alle reden von „personalisierter Medizin“, sparen aber gleichzeitig am Personal.

In der Pflege gibt es Naturtalente der guten Laune, die kommen in ein Zimmer und verbreiten Heiterkeit und Hoffnung. Es gibt andere Naturtalente, die machen es genau anders herum. Und es gibt viele dazwischen, die in die eine oder andere Richtung „kippen“ können.

Seit mehreren Jahren führen wir Workshops zu „Humor in der Pflege“ durch, in denen Teams von 15 Teilnehmern in drei Stunden üben, spielen und reflektieren: Wie trete ich in Kontakt mit jemandem, was nehme ich alles wahr, was unterscheidet wertschätzenden von ironischem Humor, wie kann ich mit peinlichen Situationen leichter umgehen und wie sorge ich als Pflegekraft so gut für mich, dass ein Lächeln nicht „aufgesetzt“ werden muss, sondern aus mir heraus strahlt?

In einem bislang deutschlandweit einmaligen Projekt schult das Johanneswerk in Bielefeld derzeit 2.500 Mitarbeiter mit diesem Konzept, das vom Team des Professors für Persönlichkeitspsychologie Willibald Ruch der Universität Zürich und dem Altersinstitut Dortmund wissenschaftlich begleitet wird.

Förderung der Resilienz

Mich wundert nach wie vor, wie hartnäckig sich Vorurteile gegen Humor in Deutschland halten. Hierzulande vertraut man eher Pillen als einer humorvollen Geste und Zuwendung. Das mag vielleicht auch an einer starken psychoanalytischen Tradition liegen.

Salopp gesagt: Nicht immer, wenn einer eine Schraube locker hat, liegt es an der Mutter. Humor ist nicht nur Verdrängung und Fehlleistung, Humor ist vor allem stimmungsaufhellend und fördert die Resilienz! Die Heroen dieser Betrachtungsweise sind Viktor Frankl, Paul Watzlawick und Frank Farrelly. Leider sind sie alle schon tot. Umso wichtiger ist es, ihre großartigen Gedanken und therapeutischen Weisheiten am Leben zu erhalten und an die nächste Generation weiterzugeben. Auch an die nächste Generation der Mediziner.

Wunderbare Arbeit macht dabei das Team von Eva Ullmann in Leipzig mit dem Projekt „Arzt mit Humor“. In der Kombination mit Vorlesung, Workshops und Coaching am Krankenbett wird klar: Ärzte können lernen, ihre Persönlichkeit und ihre Worte so sorgsam und heilsam einzusetzen wie ihre Medikamente. Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden heute auf einer Party jemandem als Humorforscher vorgestellt.

Was wären die ersten Fragen Ihres Gegenübers? Kann man davon leben? Haben Sie was Richtiges gelernt? Oder: Jetzt mal im Ernst, was machen Sie wirklich?

Ich träume davon, dass es in einer Generation gelingen wird, die Humorforschung als eine anerkannte Wissenschaft zu etablieren – mit mehreren Lehrstühlen in Deutschland, als Inhalt in allen medizinischen und therapeutischen Berufen. Und mit Partys, auf denen man sich schämt, wenn man Jurist, Verwaltungsdirektor oder Steuerberater ist.

Medizinisches Kabarett von Dr. Eckart von Hirschhausen gibt es am 24. November um 20 Uhr live im CCW in Würzburg. In diesem Sinne: Lachen ist die beste Medizin!
Karten für das Programm „Wunderheiler“ unter www.eventim.de

Humor hilft heilen
Spendenkonto der Stiftung „Humor Hilft heilen“
IBAN DE24 2001 0020 0999 2222 00
BIC (SWIFT-Code) PBNKDEFF
www.humorhilftheilen.de

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