Gefahr aus dem Wasserhahn?

Hygieniker Dr. Andreas Schwarzkopf gibt Tipps zur Legionellen- Bekämpfung, warnt aber auch vor übertriebener Hysterie

0

Hygieniker Dr. Andreas Schwarzkopf. Foto: Susanna Khoury

Legionellen sind täglich in aller Munde und das im buchstäblichen Sinn. „Legionellen sind gramnegative Stäbchenbakterien, die intrazellulär in Amöben in unserem Trinkwasser leben“, erklärt Mikrobiologe Dr. Andreas Schwarzkopf das Vorkommen der Umweltkeime.

Ideale Wachstumsbedingungen würden sie bei Temperaturen zwischen 25 und 45 Grad Celsius finden. Ab 55 Grad Celsius werde die Luft dünn für die Erreger und ab 60 Grad stürben sie in der Regel ab.

Apropos Luft – der Übertragungsweg des Bakteriums Legionella pneumophila geschieht meist über Inhalation legionellen-haltiger Aerosole. Infektionsquellen können laut dem Robert Koch-Institut (RKI) unter anderem Duschköpfe, Whirlpools, Kühlanlagen, Mundduschen oder Luftbefeuchter sein, ebenso Gartenerde, Kompost, Autowaschanlagen oder Springbrunnen.

Da sich die Meldungen von Legionellose beim Gesundheitsamt auf 800 bis 1.000 Erkrankungsfällen pro Jahr in Deutschland belaufen, sei eine übertriebene Angst vor einer Infektion unangebracht, so der Hygieniker Dr. Schwarzkopf.

Im Vergleich: An Tuberkulose etwa erkranken in Deutschland jährlich rund 5.000 Menschen.

„Allerdings ist eine Dunkelziffer möglich, da eine ähnliche Lungenentzündung auch von anderen nicht routinemäßig anzüchtbaren Erregern ausgelöst werden kann. Alle gemeinsam werden dann mit Makrolid- oder Chinolon-­Antibiotika behandelt und die Ursache im Detail gar nicht ermittelt“, so Schwarzkopf.

Die Hygienespezialistin Dr. Elisabeth Meyer von der Charité Berlin bezeichnet in der Fachzeitschrift „Krankenhaushygiene up2date“ (www.thieme.de) die Gesetze zum Legionellenschutz in Deutschland als die „wahrscheinlich sinnlosesten“ und ethisch fragwürdigsten Gesundheitsmaßnahmen. Denn trotz der in der deutschen Trinkwasserverordnung vorgeschriebenen Beprobung und Analyse alle drei Jahre in mit Duschen ausgestatteten Mehrfamilienhäusern, Schulen und Krankenhäusern, nehme die Häufung von Legionellen-Infektionen stetig zu, so Dr. Meyer.

Ein weiterer Punkt sei, so Krankenhaus-Hygieniker Dr. Andreas Schwarzkopf, das Dosis-Wirkungs-Paradox, will heißen, die auftretende Legionellenkeimzahl korreliere nicht mit dem Infektionsrisiko. „Man geht davon aus“, so Schwarzkopf, „dass eine genetische Disposition bei einer Vielzahl von Menschen vorliegt, die sie zumindest teilweise ‚immun‘ macht gegen die Gefahr aus dem Wasserhahn.“

Aber wissenschaftlich erwiesen sei das nicht. Weiterhin würden laut RKI rund 95 Prozent der Legionellosen überhaupt nicht erkannt, da es neben dem Krankheitsbild „Legionärskrankheit“, das fast immer mit einem stationären Aufenthalt im Krankenhaus verbunden sei und tödlich enden könne, auch die Variante „Pontiac-Fieber“ gäbe, die von einem grippalen Infekt kaum zu unterscheiden sei.

„Darüberhinaus gibt es auch Infektionen, die gänzlich ohne Symptome verlaufen“, so Dr. Schwarzkopf, „und die fallen ebenso aus der Statistik raus“.

Vorsichtiges Fazit: Übertriebene Hysterie in Bezug auf Legionellose sei unangebracht, präventive Maßnahmen, vor allem für immungeschwächte Personen oder Personen mit Grunderkrankungen wie beispielsweise Diabetes mellitus sowie in Risikobereichen wie etwa im OP, auf der Intensivstation, der Onkologie oder Hämatologie, durchaus sinnvoll, so der Krankenhaus-Hygieniker Dr. Schwarzkopf.

Quellen: www.bfr.bund.de/cm/343/die-neue-42-bundesimmissionsschutzverordnung-zu-legionellen-in-verdunstungskuehlanlagen.pdf, www.thieme.de, www.rki.de.

Zum Schutz vor Legionellose
Das A und O im Krankenhaus, im Hotel aber auch zu Hause sei das regelmäßige Bespülen der Leitungen (ein bis zwei Minuten täglich das Wasser vor Gebrauch laufen lassen), so Dr. Schwarzkopf.
• Wasserleitungen, die nicht mehr benutzt werden, zurückbauen
• Gute Isolierung zwischen Warm- und Kaltwasserleitungen sicherstellen
• Aerosolvermeidung durch Strahlregler versus Perlator
• Installation von Wasserfiltern
• Reinigung oder Erneuerung stark verschmutzter, verkalkter Armaturen
• Thermische oder chemische Reinigung von Wassersystemen je nach Befall
  (ab mehr als 100 Legionellen pro 100 Milliliter Wasser)
• Einhaltung von Wassersicherheitsplänen für Krankenhäuser
Quellen: www.bfr.bund.de/cm/343/die-neue-42-bundesimmissionsschutzverordnung-zu-legionellen-in-verdunstungskuehlanlagen.pdf, www.rki.de

Share.