Faszien – faszinierend?

Physiotherapeutin Simone Heinze-Schmid erklärt, was regelmäßige Übungen bewirken können

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Physiotherapeutin Simone Heinze-Schmid mit Praxen in Versbach und Hausen. Foto: Simone Heinze-Schmid

Physiotherapeutin Simone Heinze-Schmid mit Praxen in Versbach und Hausen. Foto: Simone Heinze-Schmid

Sie halten alle „Teile“ des Körpers zusammen und „fixieren“ diese an ihrem richtigen Platz. Die Rede ist von Faszien, einem netzartigem und überaus komplexem Gewebesystem, das den gesamten menschlichen
Körper umhüllt, verbindet und durchdringt. Ohne sie geht nichts.

Lebenslinie (L): Was sind Faszien?

Simone Heinze-Schmid (SHS): „Faszie“ (lat.) heißt „Band“/“Bündel“. Faszien sind alle faserigen, kollagenhaltigen Bindegewebsstrukturen (bis zu drei Millimeter Dicke) des Körpers wie Sehnen, Bänder, Gelenkkapseln, Organkapseln, Periost oder Muskelbindegewebe.

L: Welche Funktion haben Faszien?

SHS: Sie haben eine Stütz- und Verbindungsfunktion im Körper, sind wichtiges „Sinnesorgan“ und dienen als körpereigener Wasserspeicher. Sie spielen eine tragende Rolle bei der Sicherung der Wirbelsäule und der Gelenke. Lange Zeit blieb dieses Gewebe aus Zellen (Fibroblasten), Wasser und Kollagenfasern unbeachtet. Die Mediziner hatten es nicht auf dem Schirm. Heute weiß man, dass Faszien „Sinnesorgane“ sind, weil Nerven und Rezeptoren ihre Wege kreuzen. Ein gutes, gesundes Fasziennetz bedeutet eine höhere Leistungsfähigkeit und eine geringere Verletzungsanfälligkeit.

Der Begriff „Faszien“ stammt aus dem Lateinischen und steht für „Bündel“ oder „Band“. Wie ein Band sorgen die Faszien in unserem Körper dafür, dass Organe und Körperteile an ihrem originären Platz bleiben. Gäbe es dieses Fasziengewebe nicht, würden sie bei jeder unserer Bewegungen durch den Körper purzeln. Foto: ©depositphotos.com/cozm

Der Begriff „Faszien“ stammt aus dem Lateinischen und steht für „Bündel“ oder „Band“. Wie ein Band sorgen die Faszien in unserem Körper dafür, dass Organe und Körperteile an ihrem originären Platz bleiben. Gäbe es dieses Fasziengewebe nicht, würden sie bei jeder unserer Bewegungen durch den Körper purzeln. Foto: ©depositphotos.com/cozm

L: Welche Probleme verursachen verklebte oder verhärtete Faszien?

SHS: Sie schränken die Bewegungsfähigkeit der betroffenen Muskelfasern deutlich ein. Es kann zu Gelenk-, Nacken-, Rücken- oder Bauchschmerzen bis hin zu undefinierten Schmerzen kommen. Nerven, die durch diesen Gewebsbereich führen, können gequetscht werden, was wiederum zu empfindlichen Schmerzen führen kann. Auch Organe können von verhärteten Faszien betroffen sein. Besonders dramatisch wird es, wenn die starre Außenhülle der Organe darin behindert wird, Nährstoffe in ausreichender Form aufzunehmen und Schadstoffe in angemessenem Umfang abzugeben. Die Blutzufuhr und Sauerstoffversorgung der Organe wird erschwert, ihre Lebenskraft lässt nach. Auch das Fasziengewebe im Gehirn zieht sich bei älteren Menschen aufgrund des Flüssigkeitsmangels und verklebter oder verhärteter Faszien zusammen.

L: Wodurch entstehen verkürzte oder verklebte Faszien?

SHS: Durch Bewegungsmangel, einseitige Bewegung oder übermäßige Belastung beispielsweise bei eintöniger Arbeit oder sitzender Tätigkeit. Auch einseitiges Training, Flüssigkeitsmangel, Stress, Stürze und Traumen können Faszien verkleben lassen.

L: Wie kann man entgegen wirken?

SHS: Faszien spielen eine wesentliche Rolle beim hämodynamischen (Blutfluss in den Blutgefäßen), biochemischen (den Stoffwechsel betreffend) und trophischen (nährstoffbezogen) Prozessen im Körper. In diesem Bindegewebe werden eindringende Keime abgewehrt und hier wirkt die Immunabwehr. Eine spezielle Therapie und Training dieser Prozesse, beschleunigt die Heilung und schützt den Körper vor Verletzungen.

L: Wie kann man Faszien trainieren?

SHS: Durch Sportarten wie Yoga, Pilates, Tai Chi oder Qigong. Als Ausgleich zur alltäglichen Belastung ist körperliche Bewegung das Mittel der Wahl, kleine weiche Bewegungen wie beispielsweise federndes Gehen oder Trampolin-Schwingen. Faszientraining ist ein komplexes Thema, deshalb sollte man es unter Anleitung eines Physiotherapeuten erlernen.

L: Welche Tipps geben Sie für die Faziengesundheit?

SHS: Ausreichend ausgleichende Bewegungen zum Alltag zweimal pro Woche. Das Ausnutzen von körperweiten Spannungsketten aus einer Vordehnung heraus, in viele unterschiedliche Richtungen dehnen – mit aktiver als auch mit passiver Muskelaktivität. Man sollte beim Sport (oder im Alltag beim Fortbewegen) so wenig Lärm wie möglich machen, sich wie ein Ninja fortbewegen. Wichtig sind auch Richtungswechsel mit elastischen, weichen Anspannungsund Entspannungswechseln beim Üben. Der Schwerpunkt sollte auf sinnlichen, erspürenden Bewegungen liegen und das bewusste Wahrnehmen sollte im Vordergrund stehen. Gut sind auch Joggen mit ständigen Geschwindigkeitswechseln und Gehpausen. Und ganz wichtig: Mindestens zwei bis drei Liter Wasser am Tag trinken und eine gesunde und ausgewogene Ernährung.

Das Interview mit der Physiotherapeutin Simone Heinze-Schmid führte Lebenslinie- Chefredakteurin Susanna Khoury.

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