Engagement, das sich auszahlt

Die Sozialreferentin der Stadt Würzburg, Dr. Hülya Düber, arbeitet im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Fürsorge

0

Dr. Hülya Düber: „Betriebskindertageseinrichtungen sind ein Zugewinn für Arbeitgeber und -nehmer.“ Foto: Susanna Khoury

Der Ausbau von Krippenplätzen, das Thema „Barrierefreiheit“ oder auch die Integration von Flüchtlingen in Würzburg – all das sind Herausforderungen, denen sich die Sozialreferentin der Stadt, Dr. Hülya Düber, tagtäglich in ihrem Job stellt.

Die zweifache Mutter weiß um die Problematik, Berufstätigkeit und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen, und sie weiß auch, bei allem, was schon geschafft wurde: Es ist noch Luft nach oben – auch in Würzburg!

„96 Prozent der Kindergartenkinder haben in Würzburg einen Platz, also fast jedes Kind“, sagt die promovierte Juristin. Das ergaben erste Auswertungen des seit Sommer letzten Jahres neu etablierten Kinderbetreuungsportals der Stadt (www.kinderbetreuung.wuerzburg.de). Anders sehe es bei der Betreuung von Kindern unter drei Jahren aus. Hier hätten 70 bis 80 Prozent der Eltern gerne einen Betreuungsplatz, nur 50 Prozent könnten zufrieden gestellt werden. Das sind rund 250 Krippenplätze, die derzeit in Würzburg fehlen.

Zugespitzt, so Dr. Düber, habe sich die Situation seit 1. August 2013 durch den Rechtsanspruch nicht nur auf einen Kindergartenplatz, sondern auch auf einen garantierten Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Lebensjahr.

Geburtenzahl steigt kontinuierlich an

Der Ausbau der Krippenplätze in Würzburg müsse aber auch aus demografischen Gründen kontinuierlich vorangetrieben werden.

Laut Dr. Düber steige seit 2013 die Anzahl der Geburten in Würzburg rapide an – von 800 gemeldeten Kindern 2013 auf 1100 Kinder 2016. Das und die Tatsache des Zuzugs von Flüchtlingskindern schaffe einen erhöhten Bedarf – auch in Zukunft.

Für die Übergangszeit hat die Sozialreferentin als kreative Fachfrau mit ihrem Team unkonventionelle Lösungen parat wie die Einrichtung von Kinderbetreuungsgruppen in Seniorenheimen oder die Integration von behinderten und nicht behinderten Kindern wie in der Johanniter-Kindertagesstätte „Am Seelein“ seit Herbst letzten Jahres.

Auch an den Schließzeiten wolle sie rütteln, da diese oft der Vereinbarkeit von Familie, Alltagsorganisation und beruflicher Tätigkeit im Wege stehen. Dr. Düber weiß aus eigener Erfahrung als Mutter, dass Kinderbetreuung mit ganzheitlichen gesellschaftlichen Familienkonzepten einhergehen muss. Und auch hier sieht sie Nachholbedarf – durch mehr Teilzeitstellen für alle Frauen und natürlich für Frauen in Führungspositionen oder auch durch eine höhere Anzahl von Betriebskindertageseinrichtungen, die aus der Erfahrung heraus ein Zugewinn für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind.

Es ginge ja nicht nur um die Quantität, dass bedarfsdeckend Betreuungsplätze zur Verfügung stehen, sondern auch um die Qualität: „Wenn ich mein Kind einer Kita anvertraue, möchte ich mir sicher sein, dass es gut aufgehoben ist“, betont die zweifache Mutter mit einem Kind in der Krippe und einem im Hort, Hülya Düber.

Barrierefreie Stadt

Das Gleiche gelte für das Thema „Inklusion“. Hier wurde ein erster wichtiger Schritt gemacht: Die Etablierung einer städtischen Anlaufstelle für Menschen mit Behinderung. Die Inklusionsbeauftragte der Stadt Würzburg berät, initiiert Projekte und setzt diese um. Dem Thema „Barrierefreiheit im öffentlichen Raum“ nähert sich die Stadt nur mit kleinen Schritten. „Das geht nicht von heute auf morgen“, betont Düber.

Erstes Etappenziel sei die Internetseite der Stadt, die Hör- und Sehbehinderten zugänglich gemacht werde. Das nächste Ziel ist die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Wahllokalen, was dieses Jahr schon aktuell wird. Die Arbeitskreise, die zu vielen Teilaspekten des großen Themas „Barrierefreiheit in der Stadt“ gegründet wurden, lieferten bereits erste gute Ergebnisse. Man dürfe sich nicht scheuen, neue, noch nicht ausgetretene Pfade zu beschreiten.

Integration von Flüchtlingen

Im Sozialreferat blickt man bereits auf viele Jahre Integrationsarbeit zurück. In Würzburg leben Menschen aus über 25 Nationen, sie kommen aus der Türkei, aus Italien oder Rumänien, der Ukraine oder Spanien – und im letzten Jahr sind viele Flüchtlinge zum Beispiel aus Äthiopien, Eritrea, Somalia, Afghanistan, Syrien oder dem Irak gekommen.

Die Arbeit im sozialen Bereich kostet Zeit und „verschlingt“ Mitarbeiter. Probleme von Menschen lassen sich nicht einfach „abarbeiten“. Und das sei auch gut so. Nichtsdestotrotz habe das Sozialreferat im letzten Jahr elf Stellen aufgestockt, um den Anforderungen in allen Bereichen, vor allem auch bei der Integration von Flüchtlingen, gerecht zu werden. „Ich habe gedacht, wenn wir den Flüchtlingskindern einen Platz in einer Kita oder einem Kindergarten bieten können, sei das Hauptproblem gelöst. Das war aber nicht so!

Auf Grund kultureller Fremdheit musste zunächst einmal bei den Eltern Überzeugungsarbeit geleistet werden, dass Einrichtungen wie Kindertagesstätten in Deutschland vertrauenswürdig sind.“

Die Stadt sei ja nicht völlig unbedarft in Sachen Integration gewesen, sagt die Sozialreferentin, und verweist auf den Zuzug und die Integration von 13.000 Russland-Deutschen am Heuchelhof. Neu seien jedoch die religiösen und kulturellen Unterschiede der „neuen“ Flüchtlinge im letzten Jahr gewesen.

Und wenn dann noch so ein Einzelfall wie das Axt-Attentat letzten Sommer im Regionalzug (von Ochsenfurt nach Würzburg) eines augenscheinlich gut integrierten 17-jährigen afghanischen unbegleiteten Flüchtlings passiert, schrillten noch mehr Alarmglocken nach intensiver sozialpädagogischer Betreuung der vielfach traumatisierten Neuankömmlinge. Wichtig seien Transparenz und klare Kommunikation mit der Bevölkerung im Vorfeld der Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften in den einzelnen Stadtteilen, aber auch Sozialpädagogen in den Einrichtungen, die nah dran sind am Geschehen und den Befindlichkeiten der geflüchteten Menschen. Nur Security vor der Tür reiche nicht aus.

All das sei mit hohem Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden, koste Geld, zahle sich aber mittel- und langfristig für uns alle aus, so Dr. Hülya Düber.

„Insgesamt stehen wir vor der großen Herausforderung, kontinuierlich einen Integrationsprozess voranzubringen, der über die Umsetzung von Einzelmaßnahmen und Projekten hinausweist, der die aktuellen Frage- und Problemstellungen ins Auge fasst und sich immer wieder auf neue Gegebenheiten einstellt. Das Sozialreferat wird hierfür ein Integrationskonzept erarbeiten, das sich schwerpunktmäßig mit den Themen Bildung und Ausbildung, Arbeit, Wohnen und gesellschaftliche Teilhabe beschäftigen wird.“

Das Interview mit Sozialreferentin Dr. Hülya Düber führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury.

Share.