Der Extra-Biss

Die Universität Würzburg unterstützt Menschen mit Behinderung auf dem Weg zum Doktortitel

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Die Suche nach den Besten erfordert auch Barrierefreiheit in den Köpfen. Die Promi- Doktoranden Christian Seyferth-Zapf und Marina Kretzschmar (vorn) mit (hinten v.l.n.r.): Prof. Jürgen Tautz, Prof. Silke Grafe, Bernd Mölter, Sandra Mölter und Prof. Leane Lehmann. Seyferth-Zapf entwickelt und evaluiert in seiner Doktorarbeit ein Konzept zur Förderung der Medienkompetenz bei Jugendlichen. Kretzschmar befasst sich mit der Bedeutung von Totholz für das Verhalten und die Physiologie von Honigbienen. Foto: Nicole Oppelt

Die Suche nach den Besten erfordert auch Barrierefreiheit in den Köpfen. Die Promi-
Doktoranden Christian Seyferth-Zapf und Marina Kretzschmar (vorn) mit (hinten v.l.n.r.):
Prof. Jürgen Tautz, Prof. Silke Grafe, Bernd Mölter, Sandra Mölter und Prof. Leane Lehmann.
Seyferth-Zapf entwickelt und evaluiert in seiner Doktorarbeit ein Konzept zur Förderung
der Medienkompetenz bei Jugendlichen. Kretzschmar befasst sich mit der Bedeutung von
Totholz für das Verhalten und die Physiologie von Honigbienen. Foto: Nicole Oppelt

„Im Alltag treffen sie auf viele Hindernisse, die man leicht beseitigen könnte“, so Dr. Esther Knemeyer-Pereira. Wenn es aber um den beruflichen Werdegang geht, ist das weitaus schwieriger.

Die Pressesprecherin der Uni Würzburg stellte dieses Jahr zwei junge Promovierende vor, die ihre akademische Karriere mit Hilfe des Projekts „Promi – Promotion inklusive“ in Würzburg absolvieren.

Auf den ersten Blick sieht man Marina Kretzschmar und Christian Seyferth-Zapf ihr Handicap nicht an. Die beiden jungen Leute haben sich der Biochemie bzw. dem Lehramt an Gymnasien für die Fächer Geographie und Englisch verschrieben. Mit einer Doktorarbeit wollen sie nun ihr Studium krönen.

Doch auf regulärem Weg wäre das unter Umständen schwierig geworden. Die Biologin aus Schweinfurt leidet von Geburt an Fibulaaplasie, einer Unterschenkel-Fehlbildung, die bereits während der Schulzeit Beinverlängerungen notwendig machte. Ihr Kollege aus Bayreuth hat Multiple Sklerose (MS), eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems.

Immer wieder, so erklärt er während der Vorstellung, habe er Uni-Veranstaltungen verpasst. Kontakt hielt er während der Ausfallzeit mittels digitaler Medien und konnte so auch nacharbeiten. Weder für die jungen Akademiker noch für ihre Betreuer stellten die Erkrankungen einen Grund dar, warum sie nicht nach einer Promotion streben sollten. Ganz im Gegenteil.

„Als Betreuerin sehe ich keine Unterschiede zu anderen Doktoranden“, sagt Professorin Silke Grafe, die Christian Seyferth-Zapf unter ihre Fittiche genommen hat. Professor Jürgen Tautz, der gemeinsam mit Professorin Leane Lehmann Marina Kretzschmar zur Seite steht, sieht das ähnlich.

„Es ist eine hervorragende Gelegenheit, motivierte, junge Menschen zu gewinnen“, so der Bienenexperte der Fakultät für Biologie. Es seien junge Leute, die sich durch Besonderheiten auszeichneten.

Kämpfertypen

„Wir profitieren von ihnen, denn sie sind extrem motiviert und daran gewöhnt, mit Schwierigkeiten umzugehen und nicht aufzugeben.“ Die durchaus feststellbare abnehmende Belastbarkeit Studierender könne er hier nicht erkennen. Anforderungen an eine „Verwendbarkeit“ gibt es bei „Promi“ nicht.

Den „handverlesenen Bewerbern“ wird Vertrauen entgegen gebracht. Im Rahmen des Projekts bekommen die Studierenden drei Jahre lang je eine halbe sozialversicherungspflichtige Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität finanziert.

30 Prozent davon bezahlt die Uni, den Rest übernehmen die Agentur für Arbeit, das Integrationsamt und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, welches das Projekt auch finanziell fördert. „Durch diese Art der Anstellung haben die Promovierenden einen Rechtsanspruch auf benötigte Assistenzen und Hilfsmittel“, erklärt hierzu die Universität.

Das sei ein wesentlicher Unterschied zu einem Stipendium. Träger des bundesweiten Projekts ist die Universität Köln. Insgesamt 21 Universitäten machen bei dem Projekt mit, drei davon sind aus Bayern (Augsburg, Bayreuth und Würzburg).

Ziel ist es, nachhaltige Strukturen und neue Zugangsmöglichkeiten für schwerbehinderte Studierende und Mitarbeitende an den teilnehmenden Universitäten zu etablieren. Aktuell gibt es in Würzburg vier Promi-Promovierende.

Um in das Projekt aufgenommen zu werden, müssen Bewerber einige formale Voraussetzungen erfüllen. Unter anderem gehört dazu eine Schwerbehinderung im Sinne des SGB IX §2 Abs. 2, ein Hochschulabschluss, der zur Promotion befähigt sowie das vollständige Einreichen der Bewerbungsunterlagen.

Die Universität Würzburg hat bereits 2008 die Kontakt- und Informationsstelle für Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung (KIS) eingerichtet. Leuchtturmprojekte wie diese tragen dazu bei, dass die Julius-Maximilians-UniversitaÅNt Würzburg es beim Shanghai-Ranking 2016 wieder geschafft hat, unter die besten 200 Universitäten der Welt zu kommen und zu den besten 14 in Deutschland zählt.
Info: www.kis.uni-wuerzburg.de

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