Bis in die Fingerspitzen

Dr. Andreas Fleischmann über das Karpaltunnelsyndrom

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Binnen zwei Wochen sollte die Wundheilung nach einer OP abgeschlossen sein, gut vier Wochen lang ist Schonung angeraten, sagt Dr. Andreas Fleischmann. Foto: Klinikum Main-Spessart /
Agentur Gerryland

Zunächst scheint alles ganz harmlos. Die Hand schläft ein. Es kribbelt in den Fingern. Nachts treten zuweilen Schmerzen auf. Dann kommt es zu Taststörungen und Missempfindungen im Bereich von Daumen-, Zeige- und Mittelfinger. Mit der Zeit wird auch die Muskulatur im Daumenballen schwächer.

„Das geht wieder weg“, ist hier ein Trugschluss. Denn Symptome wie diese können auf ein Karpaltunnelsyndrom (KTS) hindeuten. Beim KTS ist ein bestimmter Nerv, der sogenannte Nervus medianus, im Handgelenksbereich eingeengt oder schon geschädigt.

Risikogruppen sind Menschen, die viel Hand- und Unterarmarbeit leisten. Betroffen können auch Schwangere sein. Unbehandelt hat das bisweilen unumkehrbare Folgen.

Doch wie kommt es soweit? Der Karpaltunnel ist der Raum zwischen den Handwurzelknochen und dem darüber liegenden Karpalband. Hierdurch müssen Sehnen, Nerven, Arterien und Venen. „Wird es dort zu eng, wird der Nerv bedrängt, weil er von allen am weichsten ist.

Die Folge: Sowohl die sensiblen als auch die motorischen Nervenleitungen können gestört werden“, so Dr. Andreas Fleischmann, Chefarzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin am Klinikum Main-Spessart in Lohr am Main. Er erklärt auch den Grund für das bekannte Fingerkribbeln: Der Nervus medianus versorgt den beugeseitigen Teil von Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger einschließlich des daumenseitigen Anteils des Ringfingers mit Gefühl.

In der Nähe zum Karpaltunnel verläuft ein Teil des Ulnarisnervs in der Guyon-Loge. „Ist diese betroffen, sind auch der kleine und der Ringfinger sensibel gestört. Sie beginnen ebenfalls zu kribbeln, bis man kein Gefühl mehr hat“, sagt der Mediziner.

Der Ausfall der Nerven könne aber auch andere Ursachen haben, wie das Supinator-Logen-Syndrom, eine Einengung des Speichennervs im Ellengelenk-Unterarmbereich. Es bedarf also der sorgfältigen Abklärung. „Man muss die Nervenleitgeschwindigkeit in einzelnen Abschnitten messen, um sagen zu können, wo die Störung genau liegt“, so Fleischmann. Daneben gibt es eine Reihe an Tests.

Beim Phalen-Test etwa beugt der Arzt das Handgelenk über eine Minute kräftig mit der Handinnenfläche in Richtung Unterarm, um typische Missempfindungen im Versorgungsbereich des Nervus medianus auszulösen. Beim Hoffmann-Tinel-Test wird der Karpalkanal am Handgelenk abgeklopft. Der Patient spürt eine Art Stromschlag und reagiert empfindlich.

Die Diagnose steht und dann? „Zunächst wird das Handgelenk mit einer Schiene ruhiggestellt. So wird eine gewisse Erholung erreicht, damit der Nerv gut durchblutet ist“, so der Arzt. Die Lösung des Problems liege aber seiner Ansicht nach in einem chirurgischen Eingriff, der entweder offen oder endoskopisch erfolgt.

„Wir machen einen kleinen Schnitt direkt über dem Karpaltunnel. Dann spaltet man das Karpalband, stellt den Nerv dar und macht ihn nach oben und unten frei“, beschreibt er die etwa 15 Minuten dauernde Operation, die unter örtlicher Betäubung des Bereichs oder einer Narkose durchgeführt werden kann. „Wenn das ordentlich gemacht ist, ist ein erneutes Auftreten relativ unwahrscheinlich.“

Der Mediziner sagt aber auch: „Der Eingriff ist nicht ungefährlich. Immer können dabei auch Nerven verletzt und dauerhaft geschädigt werden.“ Er rät, einen versierten Operateur aufzusuchen. Eine Prävention gibt es nicht.

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