Augen auf bei der Berufswahl!

Der Beruf des Optikers unter dem Brennglas: Lebenslinie im Gespräch mit Augenoptikermeister und Optometrist Florian Wagenbrenner

0

Augenoptiker Florian Wagenbrenner hat seiner Meisterschule fünf Jahre klinische Praxis angehängt. Hier hat er in der refraktiven Chirurgie rund 5000 Patienten vor und nach der Augenoperation betreut und im OP assistiert. Heute nützt er das Wissen in der Beratung von Kunden in seinem eigenen Optikergeschäft. Foto: Susanna Khoury

Ich bekomme ein Rezept vom Augenarzt und gehe damit zum Optiker. Dieser schaut mir mit diversen Apparaten tief in die Augen, und nach einer Woche hole ich die neue Brille, die mir vollen Durchblick verschafft, frisch geputzt, im neuen Etui mit Brillenputztuch, wieder ab! Was passiert dazwischen? Was muss ein Augenoptiker wissen, damit das „Nasenfahrrad“, sitzt, passt und kein Spiel hat?

Darüber habe ich mich mit dem Würzburger Augenoptikermeister Florian Wagenbrenner unterhalten.

Vor 20 Jahren, als er seine Ausbildung begann, hat er in der Werkstatt noch für die Gesellenprüfung, später für die Meisterprüfung, in zwei Tagen aus einer Acetatplatte ein Gestell auf Zehntelmillimeter exakt gefeilt, geschmirgelt, poliert und den gebauten Rahmen dann von Hand mit mineralischen Gläsern versehen, nach DIN-Norm versteht sich. Die Brille wirklich von A bis Z selbstgemacht.

„Heute sind die Gestelle in allen erdenklichen Farben und Formen fertig von den Herstellern zu beziehen, die Gläser werden in rohrundem Zustand von den Glaslieferanten gefertigt und dann von Augenoptiker nach den Sehgewohnheiten des Kunden und dem Sitz der Brille individuell in die Fassung eingeschliffen.“, erzählt Wagenbrenner von seinem Tagesgeschäft.

Dafür seien neue Aufgabenfelder dazugekommen, wie die perfekte optische Korrektur des Auges zu ermitteln – früher hauptsächlich Aufgabe des Augenarztes, heute überwiegend Aufgabe des Augenoptikers.

„Das stimmt! Ausgenommen sind Kinder. Bis zum vollendeten 14. Lebensjahr macht das noch der Augenarzt selbst. Da Kinder durch Muskelkraft die Messung maßgeblich beeinflussen können, müssen diese in der Regel ‚getropft‘ werden, um hier verbindliche Werte zu bekommen“, sagt Florian Wagenbrenner.

Damit nicht genug … der Augenoptiker muss noch mehr können: Augenglasbestimmung, exakte Messung von Durchblickshöhe und Augenabstand, Vermessung von Hornhauttopographie, Anpassung von weichen und formstabilen Kontaktlinsen, Beratung und Verkauf im Laden, sowie Reparatur und Anfertigung von Brillen. Das sind so im Groben die Aufgabenfelder eines Augenoptikermeisters.

Das war Florian Wagenbrenner immer noch nicht genug. Er setzte nach der Pflicht, die Kür und hängte an seinen Meister fünf Jahre klinische Praxis an: „Ich war in der refraktiven Chirurgie tätig, habe Vor- und Nachsorgeuntersuchungen bei Augenlaser­operationen oder Katarakt-Behandlungen gemacht, war oft auch OP-Assistenz, also ganz nah an der medizinischen Praxis“, so Wagenbrenner.

Das bringe ihm heute keine Vorteile fürs Brillenbauen, er habe aber ein anderes Wissen und Verständnis für die Anatomie des Auges und seiner Krankheiten bekommen. Kunden seien oftmals überrascht, dass er als Optiker nicht von einer Laserbehandlung abrate oder diese schlecht rede. Im Gegenteil, er berate sogar, wann diese sinnvoll sei und wann nicht. Was ist das eigentlich genau, diese medizinische Zusatzausbildung „Optometrist“?

„Einfach ausgedrückt, steigt man noch tiefer in die Funktion und den anatomischen Aufbau des Auges respektive des gesamten visuellen Systems ein.“ Der theoretische Teil stehe zu Teilen in der Meisterschule auf dem Lehrplan, die Praxis nicht!

Daher entschied sich der 37-Jährige damals für die klinische Zusatzausbildung: „Wenn man mit Ärzten in der refraktiven Chirurgie tagaus tagein zusammenarbeitet, im OP assistiert und Patienten vor und nach der OP betreut, bekommt man aus dem praktischen Alltag so viel mit, das ist ein Erfahrungsschatz, aus dem man schöpfen kann und der durch theoretisches Wissen nicht zu ersetzen ist,“ erklärt der Optometrist mit eigenem Laden in der Bronnbachergasse in Würzburg.

Und das mache den Beruf für ihn jeden Tag aufs Neue spannend, dass er nicht nur der Verkäufer sei, nicht nur Augenglasbestimmer, sondern in der Werkstatt Brillen fertige und repariere und das medizinische Hintergrundwissen hat, wenn Kunden mit speziellen Sehgewohnheiten beispielsweise vor oder nach Operationen zu ihm kämen.

In diesem Sinne: „Augen auf bei der Berufswahl!“

Das Interview mit Augenoptikermeister und Optometrist Florian Wagenbrenner führte Lebenslinie-Chefredakteurin Susanna Khoury

Share.